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Tatort: Borowski und die heile Welt

02.05.2009, 22:15

Hamburg/dpa. - Auf der Requisitenliste hatte schlicht «Kindersarg» gestanden. Florian Froschmayer, Regisseur Schweizer Abstammung, staunte: Sehen in Deutschland so Kindersärge aus?

Hellblau, mit goldenen Sternchen beklebt? Ja, wenn es Särge der Gerichtsmedizin sind, in denen das Opfer eines Verbrechens in die Pathologie überführt wird. Froschmayer fügte sich. Denn natürlich sollte in seinem ersten «Tatort» für den Norddeutschen Rundfunk (NDR) alles so authentisch wie möglich sein: «Borowski und die heile Welt» an diesem Sonntag in der ARD (20.15 Uhr).

«Beim Thema "Kindermord" ist für alle eine hohe Schamgrenze gesetzt», sagt NDR-Fernsehfilmchefin Doris Heinze über den «Tatort». «Da haben alle Beteiligten besonders aufeinander aufgepasst, dass uns kein falscher Ton unterläuft.» In der Geschichte läuft ein kleines Mädchen, der ewigen Streitigkeiten daheim müde, davon und wird tot aufgefunden - erstickt. Hämatome am Leib lassen auf Misshandlungen schließen. Wer kommt da als Täter infrage? Mutter, Vater, die Großmutter? Ein ganz Fremder? Oder dieser junge Mann, Kellner im Lokal des Vaters, der sich so auffallend liebevoll um die Kleine gekümmert hat?

Ein Fall für den Kieler Kommissar Borowski. Axel Milberg spielt ihn zum nun schon zwölften Mal, nicht mehr ganz so knurrig- misanthropisch wie zunächst geplant. Milberg: «Bei einem deutschen Format, dazu unter dem "Tatort"-Dach, funktioniert abweisende Grantigkeit nicht ewig und ausschließlich.» Im angelsächsischen Bereich, bei einem «Doktor House» zum Beispiel, sei man schon weiter, zeichne auch mal den Helden als ausgeprägten Zyniker und menschenscheuen Einzelgänger. Das holt Milberg in der gleichfalls in diesen Wochen startenden zweiten Staffel seiner «Doktor Martin»-Reihe beim ZDF nach: Ab 7. Mai werden dort weitere acht Folgen um den in Ostfriesland praktizierenden Arzt zu sehen sein, der Hunde nicht leiden kann und Menschen eigentlich auch nicht.

Den Rollen gemeinsam: «Beide sind Einzelgänger, stehen in der Spannung zwischen einzelnem und einer Gruppe, scheitern daran, in den Kreis hineinzukommen, was auch eine besondere Qualität ausmacht: Beide beziehen einen großen Teil ihrer Energie aus ihrem Ausgeschlossensein.» Das findet er reizvoller und liebenswerter, «als wenn einer dahinlebt wie die Made im Speck.» Ein besonderer Reiz am Borowski jedoch bleibt, dass der geborene Kieler Milberg einen Kommissar in Kiel spielen darf und in den «Tatort»-Filmen seine eher unspektakuläre Heimatstadt attraktiv ins Bild rückt, obwohl sich die Kieler Begeisterung dafür in norddeutsch wortkargen Grenzen hält.

Es fehlt dort bislang ebenso an einer Axel-Milberg-Straße wie an der Eintragung ins Goldene Buch, und das Höchste an Lob, was der Schauspieler zu hören bekommt, ist immer noch: «Na ja, Herr Milberg, der letzte "Tatort" war ja schon besser». Milberg: «Danach kann eigentlich nur noch der Oscar kommen.»