Südkorea Südkorea: Lautes aus dem «Land der Morgenstille»

Seoul/dpa. - Unweit des alten Stadttores Namdaemun liegt in Seoul dergleichnamige Markt. Dort tauchen viele Besucher aus Europa in dieasiatische Lebenswelt ein. Auf dem Namdaemun ist fast alles imAngebot, zum Beispiel das Allheilmittel Ginseng. Die Wurzel gibt eshier als Kapsel, als Tee oder in Wasser eingelegt. Aus allenRichtungen dringt der Geruch von Plastik, Abfall und Mottenpulver indie Nase. Verdrängt wird er dann von intensiveren Düften in derRestaurant-Gasse, wo die Köchinnen lautstark um Kundschaft buhlen.
Viele Ausländer zieht es in Seoul auch in das Viertel Insa-dong:Die Einkaufsstraße Insadonggil ist bekannt für Antiquitäten, Keramikund Kunst. Dort lassen sich Masken, Fächer oder handgeschöpftesPapier erstehen und auch ein Hanbok, das traditionelle Kleid derKoreanerin. In den Seitenstraßen warten Teehäuser auf Gäste.
Einige alte Königspaläste stehen noch in Seoul, die Jahrhundertealten Bauwerke wirken wie Oasen des alten Koreas. Oft sind sie engumzingelt von Hochhäusern. Besonders gut erhalten ist derChangdeokgung-Palast. In einer Führung gelangen die Besucher in diekunstvoll gearbeiteten Holzgebäude. Auch die Gartenanlage derköniglichen Familie mit Teichen und Pavillons ist zu besichtigen.
In der Nähe des Königspalastes gibt es auch noch Reste derAltstadt. In einem der traditionellen Häuser aus dem 19. Jahrhundertist die Won-Seo-dong-Kochschule untergebracht. Überall stehen im HofTöpfe herum, Früchte und Fische sind in der Sonne zum Trocknenausgebreitet. «Hier haben wir Gemüse und Kohl mit Gewürzeneingelegt», erklärt Jung-Hyun Seo. Dabei zeigt die Frau auf großeTongefäße am Boden: «Das ergibt dann Kimchi, unser Nationalgericht.»
Verlässt man Seoul mit dem Auto, geht es an scheinbar endlosenTrabanten-Städten vorbei. Auf den Weg in Richtung Süden, unweit derMode- und Textilstadt Daegu, liegt der Nationalpark Gayasan. Dortlassen die Koreaner ihrer Naturbegeisterung freien Lauf. Auf denWegen durch den abwechslungsreichen Mischwald des bis zu 1430 Meterhohen Gayasan-Gebirges sind viele Wanderer unterwegs.
Die größte Attraktion des Naturparks ist das Kloster von Haeinsa.Die Tempelanlage besteht aus mehreren gut erhaltenen Gebäuden.Romantisch im Wald gelegen, lässt sie den Besucher die Hektik derStädte völlig vergessen. Über viele Treppen gelangt der Gast durchein rundes, buddhistisches Tor in den ersten Klosterhof. Aus derFerne erklingen schon die Trommeln, später die Gongs.
Die Hauptattraktion von Haeinsa lagert in einem einzelnen Gebäude.Der Mönch Sok Hae Nung zeigt auf fein säuberlich in Regale verstaute,handgeschnitzte Druckplatten aus Birkenholz, 81 000 an der Zahl. Dieso genannte Tripitaka Koreana stammt aus dem 13. Jahrhundert. «Aufihnen ist die Lehre Buddhas festgehalten», erklärt Sok Hae Nung. «Mankönnte von Buddhas Bibel sprechen.» Mit den Holzblöcken werden seitJahrhunderten religiöse Schriften Buddhas gedruckt und verbreitet.Diese für ganz Asien außergewöhnliche Sammlung wird von den Koreanernals größter nationaler Schatz betrachtet.
In der Nähe von Haeinsa liegt die Kleinstadt Waegwan. Hier gibt esein Benediktiner-Kloster. «Der Einfluss der christlichen Kirchen istin Korea - im Gegensatz zu anderen asiatischen Ländern - erheblich»,sagt Pater Bartholomäus Hennecken. «Auch in Seoul und den anderenGroßstädten sehen sie überall Kirchen mit Kreuzen, die nachts zumTeil beleuchtet sind.» Der Benediktiner kam vor 35 Jahren zur Missionnach Korea. Er ist einer der wenigen Deutschen, die fließendKoreanisch sprechen.
Mehrmals am Tag ist es Zeit zum Gebet, dann unterbrechen dieMönche ihre Arbeit und finden sich in der Kirche zusammen. Dieursprünglich lateinischen Gesänge der Benediktiner wurden in Waegwanins Koreanische übersetzt. Die nun koreanischen Gesänge der Mönchesind für europäische Ohren eine äußerst ungewöhnliche Hörerfahrung.
Ein Kontrastprogramm dazu ist ein Besuch der Industriestadt Ulsanan der Südostküste Koreas. Dort befindet sich die Hyundai-Werft, diegrößte der Welt. Man könnte fast sagen, Ulsan ist Hyundai. Touristenkönnen die Werft mit Voranmeldung besichtigen. Zur Einführung gibt esein Firmen-Video in deutscher Sprache zu sehen. Mit Minibussen gehtes dann durch die Anlage, wo Containerschiffe zusammengebaut werden.
Von Ulsan aus sind in eineinhalb Stunden mit dem Auto derBulguksa-Tempel und die Seokguram-Grotte zu erreichen. Sie gilt alseiner der schönsten buddhistischen Schreine Asiens. Schulkinderwandern den sich schlängelnden Weg vom Parkplatz den Berg hinauf zumTempel. Innen füllt ein riesiger Buddha von mehreren Metern Höhe einegroße Steinhöhle. Majestätisch sitzt er auf einem lotusverziertenPostament.
Vor der schützenden Glasscheibe drängeln sich die Besucher, umeinen Blick auf die Statue zu werfen. Von ihr scheint ein besondererZauber auszugehen. Ihr Ausdruck ist von großer Würde, gleichzeitigwirkt sie unnahbar. Mit den halbgeöffneten Augen blickt dieBuddha-Gestalt über die bewaldeten Hügel des Umlandes bis zum Meer.
Die künstliche Grotte stammt aus dem 8. Jahrhundert. DasGranitgewölbe wurde so konstruiert, dass der erste Sonnenstrahl amMorgen das Gesicht des Buddhas trifft. So reflektiert Seokguram das«Licht der Wahrheit». Im Jahr 1995 wurden die Seokguram Grotte undder nahegelegene Bulguksa-Tempel von der Unesco in die Liste desWeltkulturerbes aufgenommen.
Weiter südlich an der Küste liegt Busan. Die Stadt mit fast vierMillionen Einwohnern verfügt über den größten Seehafen Koreas.Nordöstlich der verkehrsreichen City befinden sich die schönstenStrände. Der bekannteste ist Haeundae Beach. Bekannt in Busan ist dergroße Jagalchi-Fischmarkt in Hafennähe. Schon in den frühenMorgenstunden verkaufen die Fischer hier lautstark ihren Fang. DasAngebot reicht weit über das auf europäischen Fischmärkten hinaus.Hier sind die ungewöhnlichsten Meerestiere zu bestaunen: daumendickeSeewürmer oder Riesenlangusten zum Beispiel. Hungrige Besucher könnendirekt auf dem Markt einen kleinen Imbiss einnehmen. Sashimi - roherFisch - wird als lokale Spezialität sehr geschätzt.
Der koreanische Traum vom Urlaub im eigenen Land heißt Jeju-Do,das größte Eiland ganz im Süden des Landes. Von Busan aus ist Jeju-Domit der Fähre oder dem Flugzeug zu erreichen. Die Lage am 34.Breitengrad beschert der Insel ein subtropisches Klima. Weithinsichtbar ist der Hallasan-Vulkankegel in der Mitte der Insel. «Mitfast 2000 Metern Höhe ist er unser höchster Berg im Land», erklärtHyong Ji, eine Studentin. Auf den Wanderwegen genießt sie mitFreunden die Natur des Hallasan-Nationalparks. Am Rande des Parkserreicht die Gruppe den Gwaneumsa-Tempel. Der Weg zum großenbuddhistischen Kloster führt über eine eindrucksvolle Allee vonvielen kleinen Buddhas.
Mit 3000 Inseln ist Korea eines der inselreichsten Länder derErde. Jeju-Do nimmt eine besondere Stellung ein: Dort verbringenKoreaner gerne ihre Flitterwochen. Etwas Glück braucht man, um dieberühmten Haenyeo, die Taucherinnen von Jeju-Do, anzutreffen. SeitGenerationen gehen die Frauen ohne Pressluftflaschen tauchen. Aufihrer Jagd nach Seegurken, Muscheln und Abalonen lassen sie sich abernur ungern fotografieren.
«Jeju-Do ist ein Paradies für Taucher», versichert Ralf Deutsch,der seit einigen Jahren eine Tauchschule in Seogwipo betreibt. «DasWasser ist warm genug für die unterschiedlichsten subtropischenKorallen- und Fischarten», sagt der 42-Jährige, der inzwischen seitzehn Jahren in Korea lebt. «Ich glaube, dass es eigentlich einmodernes Land ist, aber gleichzeitig ganz viele Dinge ganz unmodernsind», sagt Deutsch. Daraus ergebe sich ein interessantesSpannungsfeld, das manchmal aber auch nur schwer auszuhalten sei.

