Spanien Spanien: Klagende Prozessionen zum Osterfest

Sevilla/dpa. - DieProzession gehört zur «Semana Santa» - der Karwoche, die inAndalusien als religiös-populäres Straßenspektakel gestaltet wird.
Von Palmsonntag an, der in diesem Jahr auf den 20. März fällt,finden in Südspanien nach strengem Ritual die Prozessionen statt, zudenen fast jede Kirchengemeinde Teilnehmer schickt. Zentren sindMálaga, Granada, Cordoba und vor allem Sevilla. In der andalusischenHauptstadt herrscht an diesen Tagen eine Art Ausnahmezustand. DasZentrum bleibt wegen der Umzüge für Autos meist stundenlang gesperrt.Massen von Touristen drängen sich in der Stadt, die Hotels sindausgebucht, und in Restaurants und Bars findet man nur schwer Platz.
Hinter den Nazarenos genannten Kapuzenmännern folgt eine vonDutzenden Männern getragene Plattform mit einer Skulpturengruppe, diein der Regel eine Christusszene der Karwoche darstellt. «Die barockenFiguren sind von großen Künstlern geschaffen und stammen meist ausdem 17. und 18. Jahrhundert», sagt Carlos Andrade, ein Kunststudentvon der Universität Sevilla. Von den meisten Trägern, den Costaleros,sieht man außer den Füßen nichts: Sie schleppen unter dem Gestell,verborgen von Tüchern, ihre schwere Last auf den Schultern. «EineProzession dauert Stunden, der Altar wird immer wieder abgesetzt undhochgehoben», sagt Andrade. «Das ist freiwillige Schwerstarbeit.»
Dem Paso, dem mit Blumen reich bestückten Schmuckaltar, schließensich die Büßer an. Diese Penitones genannten Männer gehen barfuß mitKetten um die Fußgelenke und schleppen ein Holzkreuz. Manche vonihnen tragen eine Kapuze, um anonym zu bleiben. «Früher haben sicheinige während des Marsches sogar gegeißelt, um das Leiden Christimitzuerleben», erinnert sich Fernando de la Casa, der seit Jahren imNorden Spaniens lebt und nun als Tourist das Spektakel in seinerHeimatstadt verfolgt. Im Inneren Andalusiens, soll das blutige Ritualbis heute stattfinden.
Musiker mit Blasinstrumenten beschließen den ersten Teil derProzession. «Die Trauermusik ist eigens für die Karwoche komponiert»,sagt Andrade. Die Kapelle setzt die Instrumente nur ab, wenn eineSaeta angestimmt wird. Anschließend schreiten weitere Kapuzenmännerdurch die engen Gassen, hinter denen der zweite Schmuckaltar folgt.Auf ihm steht eine reich geschmückte Madonnenfigur, in der Regel einebarocke Skulptur. Eine zweite Kapelle beendet dann den langen Zug.
«Die Prozessionen der Karwoche gehen zurück auf das 16.Jahrhundert, als die Kirche damit den Gläubigen die Passion Christinahe bringen wollte», erläutert der Theologe Manfred Becker-Huberti.«Es gab diese Bräuche früher auch in Deutschland.» In Spanienformierten sich schon bald nach der endgültigen Vertreibung derislamischen Mauren durch die katholischen Herrscher im Jahr 1492 dieso genannten Bruderschaften, die Cofradías, die dieses alljährlicheSpektakel organisieren und veranstalten.
Jede Bruderschaft hat ihre eigenen Embleme, Prozessionskleidungund Regeln. «Allein in Sevilla gibt es 58 Cofradías», erklärt JuanMontes, ein aktives Mitglied. «Die Bruderschaft El Gran Poder kanngut 2000 Nazarenos mit fast schwarzen Kutten in die Prozessionschicken. Sie verzichtet aber auf Musik. Die noch größere La Macarenahat etwa 2300 Mitglieder, die zu weißen Tunikas Kapuzen inDunkelviolett und Grün tragen», erläutert Montes.
Die Mitglieder einer Cofradía stammen aus den gesellschaftlichenOberschichten. Für sie ist es eine Ehre, an der «Semana Santa»mitzuwirken. In der einstigen Männergesellschaft gibt es inzwischenauch Frauen. Sie nehmen ebenfalls an den Prozessionen teil. DieTräger gehören heute ebenfalls zu den Bruderschaften - früher wurdendagegen kräftige Hafenarbeiter für die schwere Arbeit bei den meistnächtlichen Prozessionen angeheuert. Ein Paso kann bis zu fünf Tonnenwiegen - 260 Männer schleppen dann die Heiligenskulptur.
«Die "Semana Santa" ist ein Zusammenspiel von Ordnung undPerfektion", stellt der Schriftsteller Julio Domínguez Aroja fest.Und er ermahnt die Nazarenos, auf ihre Kleidung zu achten: «KeineSportschuhe oder Sandalen unter der Kutte». Auch die spanischenZuschauer respektieren mit ihrem Dress den religiösen Hintergrund desSchauspiels: Viele tragen Schwarz. Frauen haben häufig eine Mantilla,den schwarzen Schleier aus Seidenspitze, im hochgesteckten Haar.
Sevillas «Semana Santa» ist zwar die bekannteste, «doch auch inanderen Teilen Spaniens begehen die Menschen die Karwoche nach altenTraditionen», sagt Carmen Frentiu vom Spanischen Fremdenverkehrsamtin Frankfurt/Main. Auch in Kastilien werde durch strenge Zeremoniendie Trauer ausgedrückt - beispielsweise in Valladolid, wo nur dumpfeTrommelwirbel die feierliche Stille unterbrechen und Reiter in weißenKutten und blutroten Kapuzen an den Prozessionen teilnehmen.
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