Spanien Spanien: Dali? Der war auch normal
Halle/MZ. - Nur eines können weder katalonische Machos noch ihre katholischen Ehefrauen verknusen: dass der Maler sich von seiner russischen Frau Gala Hörner aufsetzen ließ. Alle wussten, dass der Chauffeur zu ihr ins Bett stieg ebenso wie etliche Fischer und der Künstlergatte ständig ihre jungen Liebhaber hinnehmen musste. Einer der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts war abhängig von seiner elf Jahre älteren Managerin!
"Sie hat bestimmt, welche Musik aufgelegt wurde, wenn er malte, meistens Wagner", berichtet der 74-jährige Joan Vehi, der 35 Jahre im Haus des Meisters arbeitete. "Manchmal hat sie ihm vorgelesen. Sie sorgte für seine Lieblingsspeise, Fisch und Gemüse. Es war eine Art von Liebe." Der heute kahlköpfige Tischler, der dem Paar erst die Möbel schreinerte, dann zum Faktotum avancierte, stets mit beiden unterwegs war und dabei fotografierte, kennt sich aus. "Wenn Gala da war, brauchte Salvador keine seiner exhibitionistischen Shows. Dann war er ruhig, fühlte sich aufgehoben." Zum ersten Mal stellt Joan Vehi im Heimatmuseum von Cadaqués seine Fotos aus. Hier hat Dali seine Jugend verbracht. Den jungen Salvador zog es magisch an diesen abgelegenen Ort, nur über eine Serpentine zu erreichen. In Cadaqués begann Dali mit seinem umfangreichen Werk.
Schon als Kind zeichnete er Findlinge, machte in der zerklüfteten Felslandschaft wilde Tiere, Engel und Monster aus. In Cadaqués hat er Hof gehalten, Promis und Künstlerfreunde kamen zu Besuch, Magritte, Bunuel, Man Ray, 1929 Paul Eluard mit seiner Frau Gala.
Der Dichter reiste allein wieder ab. Nicht weil Dali ihm die Gattin ausgespannt hätte, sondern weil Gala ihre Chance witterte. Bis zu ihrem Tod 1982 blieb sie mit dem Maler zusammen, war Muse und Gefährtin. Über ihr bizarres Verhältnis ist viel spekuliert worden. Fest steht, dass Dali aufgrund traumatischer Kindheitserfahrungen ängstlich, neurotisch und muttersüchtig war. Am 11. Mai 1904 in Figueres geboren, musste er die Stelle seines verstorbenen gleichnamigen Bruders einnehmen. Das ist schlecht für den Jungen, der zudem als 17-Jähriger die Mutter verliert. Aber gut für den Künstler, der fortan besessen davon ist, von der Kopie zum Original zu werden. Er schuf sein eigenes Universum, brachte es zu einem einzigartigen Malstil und zu Bildmotiven, deren Popularität ungebrochen ist. Ohne Gala hätte Dali das nie geschafft. Sie war ihm ein und alles, deshalb durfte sie alles.
Mit süffisantem Lächeln zeigt Joan Vehi auf eines seiner Fotos, das die gealterte kokette Russin mit dem Amerikaner Jeff zeigt, einer der Hauptdarsteller des Musicals "Jesus Christ Superstar", lange ihr Liebhaber. Der Bubi und die Mondäne liegen im Gras, Dali ist irgendwo dahinter. Wie pikant das war, weiß man erst seit den Fotos. Dalis Diener hatte einem Journalisten davon erzählt, der wollte sie sehen - dann brach eine Lawine los.
In Nachbarort Port Lligat hat Dali ein geräumiges Nest gebaut. Er begann mit einer Fischerkate, kaufte sieben weitere hinzu, verband die Gebäude. In dem verwinkelten Anwesen am Felshang entstand der Großteil seines Werkes. Ein ausgestopfter Bär dient als Garderobenständer, aus dem Himmelbett konnte das Paar in einem Spiegel die Sonne aufgehen sehen. Der Pool im Garten hat die Form eines Phallus, an seinem Rand hockt das Michelin-Männchen, steht neben einem Liebestempel ein romanisches Taufbecken. Bei Dunkelheit wird das verrückte Ensemble ausgeleuchtet vom ehemaligen Scheinwerfer eines Leuchtturms. Das Geburtshaus des Malers in Figueres ziert eine Plakette, es gibt aber keinen Zutritt. Dafür muss man vor dem "Teatru-Museu" Schlange stehen.
Das ausschließlich dem größten Sohn der Stadt gewidmete Haus, zuvor Stadttheater, 1974 eröffnet und der Stadt Klingelkasse, das Dach bestückt mit lauter Eiern, die roten Wände dekoriert mit Bauernbroten aus Gips, darf keine Führungen anbieten. Der Meister hat verfügt, dass jeder Besucher individuell seinem Kosmos ausgeliefert sein soll. Die rotzfrech zusammen gestellte, Schwindel erregende Ausstellung lässt niemand kalt. Alle Bilder zeigen: Das Sichtbare war Ausgangspunkt für die Imagination. Alle Installationen beweisen: Der Mann war von Visionen umgetrieben. An ein halbes Männergesicht dockt eine Frauenfigur an, der Schiffsrumpf endet in einem Hund, der gleichzeitig Felsenküste ist. Das Ganze trägt den Titel "Das endlose Rätsel" und man schaut und grübelt.
Das würde Dali, der im Turm unten in seiner Grabnische liegt, gefallen. Das Dalirium wird die Welt noch lange faszinieren. Zum ersten Mal spielen die Einheimischen richtig mit: Der Typ war durchgeknallt, aber auch irgendwie genial, sagen sie. Also erweisen wir ihm die Ehre.