Schwimmen Schwimmen: Traumhafte Tristesse außerhalb des Beckens
Halle (Saale)/MZ. - Draußen ist es trist und unangenehm kalt. Dazu nichts, aber auch gar nichts im Umfeld von vielen Kilometern, das einem in Versuchung bringen könnte, über die Stränge zu schlagen. Für Paul Biedermann ein Traum. "Man kann trainieren ohne großartige Ablenkung. Genau das brauche ich jetzt", sagte Halles Schwimmstar zu den ausladenden Bedingungen in der spanischen Sierra Nevada.
Bis Ostersonntag quält sich der doppelte Weltrekordler, der sich gern in der Vorbereitung auf große Wettkämpfe irgendwo vergräbt, in dem einsam gelegenen Sportkomplex auf einem 2 320 Metern hohen Berg. Schwimmhalle, Kraftraum, Unterkünfte, Speisesaal - alles unter einem Dach. Auch für Biedermanns Trainer ein Segen. Denn Frank Embacher gibt seine Anweisungen am Beckenrand gerade aus dem Rollstuhl. Kurz vor dem Höhentrainingslager musste in seiner Hüfte eine Gelenkkapsel wieder hergerichtet werden. Das Training klappt dennoch wie am Schnürchen, sein Meisterschüler ist schließlich willig.
Besonderen Antrieb brauche er im Olympiajahr nicht, "weil einem das sowieso im Kopf herumschwirrt", versichert Biedermann. Das letzte Mal im Kino war er im August 2011. Seit der französischen Komödie "Nichts zu verzollen" hat er sich diese Art der Entspannung nicht mehr gegönnt. Sein letzter Konzertbesuch liegt auch schon knapp ein halbes Jahr zurück. "Das war beim Rammstein in Leipzig", sagt Halles Superschwimmer.
Seine Aktivitäten in der Werbeszene sind ebenfalls gen Null zurückgefahren. Dabei ist die Branche nach wie vor hochinteressiert. "Es vergeht kein Tag, an dem wir keine Anfrage für ein Einzelinterview bekommen", sagt Claudia Lindner von Biedermanns Management Albus. TV-Spots, Fotoshootings, Pressetage der Sponsoren, Kampagnen mit der Schwimmakademie - all das ist im Zeichen der fünf Ringe bereits geschehen. Jetzt wird eben trainiert.
Den Werbefilm für seinen neuen Förderer Gillette hatte Biedermann bereits im November in Barcelona gedreht. Gemeinsam mit 23 internationalen Stars - allesamt Medaillenhoffnungen für Olympia und in ihrem Land bekannt wie ein bunter Hund - ist der Hallenser das neue Gesicht des Giganten im Rasurgeschäft.
Bei dem Werbespot seines Ausrüsters Arena vor einigen Wochen war Biedermann in seinem Element. Seine neue Arbeitskleidung hat das Format einer Kindergröße von etwa 128. Die Kompression ist enorm, das carbonverstärkte Material offenbar auch. "Man hat das Gefühl, dass man gar keine Hose anhat", findet Biedermann. An der Wende und beim Start soll das winzige Stück ein Zehntel Zeitvorteil bringen. "Jeder ist vor Olympia auf der Suche nach dem perfekten Material", bestätigt der dreifache WM-Dritte von Shanghai. Ein wichtiger, aber nicht alles entscheidender Faktor: "Der Stoff ist so kurz, dass er nicht den Riesenvorteil bringt wie bei den Anzügen. Nicht das Material entscheidet, sondern der Athlet, der drin steckt." Ihre Wettkampfpremiere erlebt die Hose bei den deutschen Meisterschaften ab 10. Mai. Jetzt wird mit ihr der Ernstfall erprobt.