1. MZ.de
  2. >
  3. Varia
  4. >
  5. Schwimm-WM: Schwimm-WM: Biedermann stellt Phelps in den Schatten

Schwimm-WM Schwimm-WM: Biedermann stellt Phelps in den Schatten

Von Marc Zeilhofer und Peter auf der Heyde 27.07.2009, 09:12

Rom/dpa. - Es schien, als hätte Weltmeister und WeltrekordlerPaul Biedermann nur auf diese Frage gewartet. Ohne Zögern begegneteer dem Misstrauen nach seiner Steigerung über 400 Meter Freistil umunglaubliche 6,6 Sekunden. Die Antwort auf die im Raum stehendeDoping-Frage kam mit ernster Miene und festem Blick. «Natürlich mussich mir solche Vorwürfe gefallen lassen, das ist klar. Aber ich binabsolut sauber», sagte der 22-Jährige, nachdem er in 3:40,07 Minutenauf seiner Nebenstrecke den sieben Jahre alten Weltrekord vonSchwimm-Legende Ian Thorpe um 1/100 verbessert hatte. «Ich hatte XKontrollen, bestimmt 20 in diesem Jahr», erklärte Biedermann, wohlwissend, dass diese Leistungssteigerung zu unglaublich war, um nichtangezweifelt zu werden.

Superstar Michael Phelps, dessen Duell mit Biedermann auf den 200Metern die Schwimm-Welt mit Spannung erwartet, war auch am Tag nachdem Weltrekord noch baff. «Ich kann immer noch nicht glauben, dassdieser 400-Meter-Rekord gebrochen wurde, er war der beste Rekord.Normalerweise sieht man im postolympischen Jahr nicht dieseLeistungen, aber irgendwie kommen sie zustande», sagte er und fügtemit einem Schmunzeln hinzu: «Ich weiß nicht, wie sie das machen.»Biedermann habe wohl «ein gutes Jahr», meinte Phelps, nachdem er auchim Halbfinale über 200 Meter Kraul deutlich langsamer als der erneutEuroparekord schwimmende Biedermann war. «Das wird ein geiles Rennen.Die letzten 50 Meter habe ich nicht alles gegeben», meinte Biedermannnach seiner neuen Traumzeit von 1:43,65 Minuten - nur noch knapp 7/10Sekunden von Phelps Weltrekord entfernt.

Paul Biedermann konnte mit Erklärungen für seine Leistungen nurteilweise weiterhelfen. «Der neue Anzug hat bestimmt zwei Sekundengeholfen», sagte er zum Material seines Ausrüsters. Als erklärterKritiker des Wettrüstens im Schwimmen hatte er bis vor vier Wochenein fast schon altertümliches Vorjahresmodell geschwommen und sicherst kurz vor der WM für den X-Glide seines Ausrüsters (arena)entschieden.

Wegen des Epstein-Barr-Virus' hatte Biedermann zu Jahresbeginnknapp sechs Wochen mit dem Training aussetzen müssen, mehrerehunderte Kilometer fehlten - eigentlich auf der Mittelstrecke kaumaufzuholen. «Das konnte ich gut kompensieren. Vielleicht hab ichgenau diese Pause gebraucht», sagte er und dankte seinem Coach FrankEmbacher, «für mich der weltbeste Trainer.»

Bis zur 300-Meter-Marke war Biedermann deutlich langsamer als beiseinem Europarekord des Vorlaufs - doch auf der Schlussbahn ließ erdie Konkurrenz um 1500-Meter-Olympiasieger Oussama Mellouli(Tunesien) förmlich stehen. «Eigentlich wollte ich schneller angehen,aber ich bin ein Typ, der sich festbeißen kann. Die letzten 50 Meterwaren meine», sagte er rückblickend. Diese Sprint-Qualitäten hatBiedermann in Halle/Saale trotz einer sanierungswürdigen Umgebunggelernt. «Ich hoffe, dass eine neue Halle gebaut wird. Ich trainieremit Startblöcken von vor 40 Jahren.»

Die Siegesfeier fiel kurz aus, schließlich standen am MontagVorläufe und Halbfinals über die 200 Meter an. «Ich hatte nicht soviel Zeit für meine Familie. In Gedanken war ich bei ihnen. Sie habendas alle mit mir durchgestanden. Wenn ich um sechs Uhr zum Trainingaufstehe, kann ich schon zickig sein», sagte Biedermann, der seineFreundin, Eltern und alle vier Großeltern nach Rom eingeladen hatte.Oma Annemarie bekam zu ihrem 73. Geburtstag einen WM-Titel geschenkt.

Um neun Uhr abends ging es ins Hotel, wo «Paule» bei einerTeambesprechung gefeiert wurde. «Diese Leistung gebührt uns allen»,sagte Biedermann bescheiden. «Ich bin so stolz auf Paul, er hat esuns vorgemacht. Wir sind so euphorisiert gewesen», meinte Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen. Am Morgen danach war Biedermann trotzeiner kurzen Feier ob der vielen Siegerpflichten ein wenig platt:«Ich wusste nicht, dass Gewinnen so stressig sein kann.»

Der deutsche Schwimmer Paul Biedermann hebt nach seinem Semifinale den Daumen. Er qualifizierte sich für das Finale. (FOTO: DPA)
Der deutsche Schwimmer Paul Biedermann hebt nach seinem Semifinale den Daumen. Er qualifizierte sich für das Finale. (FOTO: DPA)
dpa