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Schloss Wendgräben Schloss Wendgräben: Alles fließt - Auch die Farbe auf der Leinwand

Von Thomas Altmann 16.07.2003, 14:24

Wendgräben/MZ. - Steh ich, oder geh ich? Ähnliches fragte sich schon Albert Einstein. Mit zunehmender Geschwindigkeit nimmt auf den Bildern von Anja Billing die Masse der Farbe allerdings ab. Diese fließt träge als Farbband über weite Flächen, weht transparent über die Leinwand oder verdichtet sich zu kraftvoll stürmischen oder fragilen, nervösen Bewegungen.

Mit der Ausstellung "flow" der Berliner Malerin Anja Billing, die an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee studiert hat, kommt Bewegung in die Konrad-Adenauer-Stiftung auf Schoß Wendgräben (Anhalt-Zerbst). "Relative Orientierung" heißt eines ihrer Bilder, was darauf verweist, dass es keinen Haltepunkt und keine sichere Verortung gibt.

Was der Schnellzug einst in Frage stellte, erledigen heute Computer und Datenautobahnen. Ein Punkt lebt vom anderen und keiner ist für sich allein so richtig existent. Die gegenstandslose Malerei genügt sich jedenfalls selbst, nur der Betrachter sucht irgendeinen Grund. Bei Billing fließt dieser fort oder kringelt sich ins Nichts.

Dabei ist das, was sie malt, keine Gegenwelt zum täglichen Bedarf an Umgebung. Keine "rein geistige Sphäre" wird betreten. "Mir scheint, dass abstrakte Malerei nur dann eine innere Logik besitzt, wenn sie die Lust und die Liebe des Künstlers an der realen Welt spiegelt", so wird die Künstlerin im Katalog zitiert. Mit dem Nachsatz, dass auch die so genannte reale Welt Kategorien des Nichtfassbaren in sich trage.

Offenbar lugt die Malerin überall hindurch, durch Fernrohre, Mikroskope, Autoscheiben. Das Sehen - die Technik macht's möglich - ist schlicht und einfach mehr geworden. Manches verschwimmt, manches erhält Konturen, manches wird überhaupt erst wahrgenommen. Aber alles wird bei Anja Billing zu Farbe.

Die großformatigen Arbeiten in Öl auf Leinwand oder Transparentpapier geben sich keineswegs kopflastig, sondern vornehmlich sinnlich. Alles geht durch den Bauch und alles fließt. Sogar das Papier hält Abstand vom Glas, auf dass sich selbst der Malgrund bewege. Dabei geraten Ruhe und Bewegung, Trägheit und Schnelligkeit nicht zum platten Kontrastprogramm. Das Auge taucht ein, schwimmt, fließt oder sprudelt hinfort, wie ein Stock im Bach, ein Blatt im Wind oder eine Fussel im Sturm, um irgendwann am Rahmen zu stranden. Wenn man nur darüber hinaus schauen könnte. Man kann es nicht. Vor den Bildern stehen kann man dennoch - bis zum 15. August.

Informationen unter www.kas-wendgraeben.de