Schlitz Schlitz: Türme, Tuch und Trachten
Halle/MZ. - Wer dort aussteigt, den Bus nimmt oder auf dem Fulda-Radweg flussabwärts fährt, kommt ins Seitental der Schlitz. "Schlitzer Ländchen" sagen die Menschen in den Dörfern zu ihrer Heimat, und ein wenig schwingt da auch Erinnerung an die Mini-Grafschaft Derer von Görtz mit, die im Städtchen Schlitz regierten.
Sie waren ein baufreudiges Grafengeschlecht, jene Görtzens, deren berühmtester Spross, "Schwedengörtz" Georg Heinrich von Schlitz, es immerhin zum Ministerpräsidenten Karls XII. von Schweden gebracht hatte (bevor er nach des Königs Tod enthauptet wurde). Fünf Burgen legen heute Zeugnis einer fast 1 200-jährigen Geschichte ab und verhelfen Schlitz zu seinem Beinamen: "Hessens Burgenstadt". Vier dieser romantischen Gemäuer liegen mitten im Städtchen auf dem Schlitzberg, wehrhaft geschart um den etwas "winschen" Turm von St. Margarethen - bis ins Jahr 812 reichen die Fundamente der Pfarrkirche zurück. Gerademal ein gepflasterter Fahrweg und eine schmale "Gass'" führen hinauf in die Vergangenheit, zum malerischen Fachwerk-Marktplatz und weiter zum Hintertorturm, dem mächtigsten der drei Türme, welche die markante Silhouette prägen.
Am besten, man lässt sich das mit den fünf Burgen vom Turmwächter in 36 Metern Höhe erklären (hinauf geht's ohne Schnaufen mit dem Aufzug). Denn auf dem Schlitzberg wurde über die Jahrhunderte kräftig umgebaut, erweitert, zweckentfremdet und verschmolzen, und so sticht es nicht ins Auge, wo die eine Burg nun aufhört und die andere beginnt.
Die Hinterburg etwa besitzt als einzige einen klassischen Bergfried, während die Ottoburg mehr einem barocken Schlösschen gleicht und die Schachtenburg irgendwie im Städtchen aufgeht. Größte und älteste von allen - und noch heute Sitz der gräflichen Verwaltung - ist die Vorderburg, deren Festsaal stilvolles Ambiente für Konzert- und Theaterereignisse bietet. Das letzte Wohnschloss der Reichsgrafen, die Hallenburg, liegt dagegen außerhalb der Stadtmauern versteckt in einem großen Park.
Vor allem die industrielle Leinenweberei, seit Mitte des 18. Jahrhunderts Traditionsgewerbe am Ort, hat den Namen Schlitz in die Welt hinausgetragen. Von einstmals neun Großwebereien produzieren heute noch drei mit Schwergewicht auf hochwertiger Wäsche für Hotels, Schifffahrtslinien und Fluggesellschaften. So trifft man Schlitzer Leintuch etwa an Bord von Lufthansa, SAS, Quantas, Singapur Airlines oder auf den Schiffen der Hapag-Lloyd.
Wie das alles mal mit der Leinenfabrik von Georg Gottlieb Langheinrich angefangen hat, wie sich die Menschen in Schlitz gekleidet und wie sie über die Jahrhunderte hinter den schmucken Fachwerk-Fassaden gewohnt und gearbeitet haben, das kann man bei einem Besuch im Heimatmuseum in der Vorderburg erfahren. Zu dessen Schätzen gehören auch die schönsten Stücke der Schlitzer Tracht, die regelmäßig alle zwei Jahre beim großen Heimat- und Trachtenfest getragen werden. Das Fest, bei dem vier Tage lang Folkloregruppen aus aller Welt die Altstadt bevölkern, gilt als Höhepunkt im Veranstaltungskalender. Nicht weniger beliebt ist die Freilichtbühne, die sommers als "Außenstelle" der Bad Hersfelder Festspiele auf dem Marktplatz gastiert.
Wer einfach mal die Seele baumeln lassen möchte, wird bei einer Rad-, Wander- oder Kanutour entlang der Schlitz, bei einem Mineralbad im nahen Bad Salzschlirf oder in den Wäldern des Vogelsberges fündig. Zurück in Schlitz kann der Tag in einer gemütlichen Wirtsstub' mit hessischer Hausmannskost, Schlitzer Bier und Bränden aus der mit 400 Jahren ältesten Kornbrennerei Deutschlands ausklingen.
Weitere Informationen über Schlitz gibt es beim Verkehrsbüro Tel. 06642 / 9 70-60.