Schiedsrichter-Affäre Schiedsrichter-Affäre: Überraschende Wende im «Fall Hoyzer»
Leipzig/dpa. - Im mit Spannung verfolgten Revisionsprozess umden Fußball-Wettskandal forderte Bundesanwalt Hartmut Schneider amDienstag vor dem Bundesgerichtshof (BGH) überraschend einenFreispruch. Der Jurist beantragte vor dem 5. Strafsenat in Leipzig,das Urteil des Landgerichts Berlin vom November 2005 aufzuheben. Essei von «bemerkenswerter Oberflächlichkeit», kritisierte Schneider.Am 15. Dezember soll nun das endgültige Urteil gefällt werden.
Laut des ersten Richterspruchs muss Hoyzer (27) zwei Jahre undfünf Monate in Haft. Nach Ansicht Schneiders bietet dasStrafgesetzbuch bislang aber keine Möglichkeit, die Manipulationenvon Hoyzer und den kroatischen Brüdern Sapina als Betrug zu ahnden.«Das ist eine Gaunerei. Aber strafrechtlich kommt man da nicht dran»,sagte er nicht ohne Bedauern.
Nun müssen die Bundesrichter unter den argwöhnischen Augen desDeutschen Fußball-Bundes (DFB) und der Öffentlichkeit entscheiden.Bis dahin lassen die Nachfragen in der mündlichen Verhandlung einespannende Diskussion zwischen den vier männlichen und einemweiblichen Mitglied des 5. Strafsenats vermuten. «Ist tatsächlichRaum für einen Freispruch?», fragte der Vorsitzende Richter ClemensBasdorf nach dem Antrag Schneiders. Er schloss nicht aus, dass derFall dem Großen Senat des BGH vorgelegt werden muss, weil diebisherige Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen zu gegensätzlichenBeurteilungen gekommen ist.
Das Landgericht Berlin hatte Drahtzieher Ante Sapina (30) wegenBetruges in zehn Fällen zu einer Gesamtstrafe von zwei Jahren und elfMonaten verurteilt. Laut Urteil hat er Schiedsrichter, darunterHoyzer, für Spielmanipulationen bezahlt. Der zwischenzeitlichlebenslang als Schiedsrichter gesperrte Hoyzer wurde wegen Beihilfezum Betrug in sechs Fällen verurteilt. Neben Sapinas Brüdern warender frühere Referee Dominik Marks (31) und Ex-Fußballprofi SteffenKarl (36) beteiligt. Sie erhielten Bewährungsstrafen.
«Der Wettskandal hat Deutschland seinerzeit in Rage gebracht»,erinnerte Schneider. Insbesondere mit Blick auf die anstehendeFußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land sei der Ruf nach einerschnellen und harten Bestrafung laut gewesen. Das Berliner Urteilentstand «unter dem Druck der bevorstehenden WM» kritisierten auchdie Verteidiger, die alle um einen Freispruch kämpften.
«Falscher kann ein Urteil nicht sein», konstatierte Hoyzer-AnwaltThomas Hermes. Dass sie ausgerechnet vom Bundesanwalt Schützenhilfebekamen, hat die Verteidigung überrascht. «So deutliche Worte hatteich nicht erwartet», sagte Karls Anwalt, Andreas Bartholomé. DieBundesanwaltschaft sei den Anspruch als «objektivste Behörde derWelt» gerecht worden, schwärmten die Juristen.
Der Bundesanwalt stützte sich dabei auch auf ein wesentlichesArgument der Verteidigung: die allgemeinen Geschäftsbedingungen fürOddset-Wetten. «Ein Selbstschutz wäre mit einer anderen Formulierungdurchaus möglich», betonte Schneider. Es sei gut, dass dasUnternehmen nach Bekanntwerden des Wettskandals bereits dieFormulierung geändert habe. Weitere Zusätze sind nach AnsichtSchneiders nötig, wenn sich das Unternehmen schützen will.
Nun muss der BGH entscheiden. Neben dem beantragten Freisprüchenbleiben zwei weitere Varianten: Die Bundesrichter stellenRechtsfehler fest und heben das Urteil auf. Dann wird der Prozess voreiner anderen Kammer des Berliner Landgericht neu aufgerollt. Fürdiese Variante könnte unter anderem sprechen, dass Hoyzer im UrteilManipulationen im Spiel zwischen den Amateuren des VfL Wolfsburg undden Amateuren des Hamburger SV am 6. November 2004 angelastet wurden.Dieses Spiel hat aber Dominik Marks gepfiffen.
Bestätigt der 5. Strafsenat das Berliner Urteil, wird esrechtskräftig und Hoyzer sowie Sapina müssen zügig ihre Haftstrafeantreten. «Das ist eine wirklich spannende Geschichte», sagte auchGeneralbundesanwältin Monika Harms, die einen Besuch in Leipzignutzte, um die Verhandlung zu besuchen.
