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Saudi-Arabien Saudi-Arabien: Deutsche bauten vor 100 Jahren Bahnlinie durch die Wüste

27.12.2002, 11:02
Spuren im Sand: An manchen Orten im Westen Saudi-Arabiens sind die Überbleibsel der Hedschasbahn noch leicht zu finden. (Foto: dpa)
Spuren im Sand: An manchen Orten im Westen Saudi-Arabiens sind die Überbleibsel der Hedschasbahn noch leicht zu finden. (Foto: dpa) Kai Fortelka

Medina/dpa. - Wer in Saudi-Arabien nach Hinterlassenschaften des Lawrence vonArabien sucht, stößt unweigerlich auf das einstige deutsch-türkischePrestigeprojekt Hedschasbahn. Deren Name ist untrennbar mit jenemsagenumwobenen britischen Offizier verbunden, der im Ersten Weltkriegden Araberaufstand gegen die Türken anführte. Etwa 86 Jahre sindvergangen, seit die Araber die Eisenbahnlinie von Damaskus nachMedina in einem Guerillakampf zerstören. Die gepanzerten Züge bliebenin der Wüste stehen und sind heute «ein echter Abenteuerspielplatzfür Bahn-Fans», versichert Fremdenführer Mohamed Boumnina.

Bei einem Abstecher in die Felsstadt Mada'in Salih wird der Mythosbesonders lebendig. Neben Wassertürmen, Pumpen und Werkstätten sindin dem Freilichtmuseum auch 16 restaurierte Nebenhäuser für Personalund Reisende für die Nachwelt erhalten. Ziegenhirten suchen in dersengenden Hitz dort Schutz für ihre Tiere. Auf der Jagd nachSouvenirs hat ein Besucher neben einem ausgeblichenen Kamelschädeleinen rostigen Bolzen entdeckt. «Verbrennen sie sich nicht dieFinger», warnt Boumnina angesichts von Temperaturen um die 50 Grad.

Die von 1901 bis 1908 unter Leitung des Ingenieurs Heinrich AugustMeißner aus Leipzig gebaute Bahnstrecke war nach der Landschaft undProvinz Hedschas im Westen des heutigen Saudi-Arabiens benannt wordenund galt als technische Pioniertat. Moslems aus aller Welt spendetenfür den Bahnbau, und 5500 arabische Hilfskräfte packten mit an, damitder 1302 Kilometer langen Ableger der Bagdadbahn fertig wurde.

Das Projekt entlang der Pilger-Route nach Mekka war wegen derUnterstützung des Deutschen Kaiserreichs seinerzeit ein Politikum.Als das Osmanische Reich an der Seite Deutschlands in den ErstenWeltkrieg eintrat, erhielt die Schmalspurbahn in dem unwegsamenGelände zudem eine strategische Bedeutung: England sah seinen Zugangnach Indien bedroht. Durch Sprengstoffanschläge während der Revolteder Araber wurde die Bahn deshalb 1917 beschädigt. 1924 - acht Jahrenach dem Ende des Krieges - kam dann die endgültige Stilllegung.

Heute stehen entlang der Straße nach Medina im Abstand von fünfKilometern verfallene Bahnhöfe. Vor einigen der Forts verlaufen nocheinspurige Trassenführungen aus Kies. Bei aller Eisenbahn-Romantiknagt der Zahn der Zeit an den roten Sandsteinbauten: Taubenkot,bröckelnder Putz und eingestürzte Dächer setzen dem einstigen Stolzdeutscher Ingenieure zu. Oft haben Hobby-Archäologen die Fundamenteaufgebrochen. «Museen kaufen gerne Flinten und Wertgegenstände, diedie Türken auf ihrer Flucht vergruben», sagt der Fremdenführer. Bahn-Schwellen aus belgischer Fabrikation sind als Zäune zweckentfremdet.

Alle Versuche, die Hedschasbahn wieder in Betrieb zu nehmen,verliefen aus Kostengründen im Sand. Pilger bevorzugten anstelle derBahn bald Flugzeuge und Autos - und die Verbindung zur heiligen StadtMekka wurde ohnehin nie fertig. Seit einiger Zeit verkehren auf einerTeilstrecke in Jordanien zwar wieder Züge. Doch während der türkischeSultan einst Heinrich August Meißner zum Pascha ernannte undHollywood «Lawrence von Arabien» ein oscargekröntes Denkmal setzte,drohen die letzten Loks der Hedschasbahn vom Winde verweht zu werden.