Sachsen Sachsen: Schon mal im Bier gebadet?
Halle/MZ. - In Bad Elster scheint die Zeit irgendwann stehen geblieben zu sein. Das ist nicht etwa schlimm, nein, während man drinnen, im Kurhaus, auf dem neusten Stand der Technik ist, scheint äußerlich das 19. Jahrhundert nie geendet zu haben. Ein Konzept das aufgeht. Noch immer flanieren die Kurgäste im Schatten des Albert-Bades, spazieren durch den Kurpark mit seinen Promenaden, kleinen Seen und reichen Rhododendronbeständen. Sie steigen jeden Tag die Treppen zu den Quellen hinab, füllen ihre Becher, nehmen einen Schluck und fühlen sich gleich "viel gesunder".
Schon den slawischen Ureinwohnern soll bekannt gewesen sein, dass das Wasser der hiesigen Quellen heilende Wirkung besitzt. Im 19. Jahrhundert ließen sich die Mitglieder des sächsischen Königshauses hier königlich umsorgen. Bad Elster wurde schnell zu einem Ort von herausragender gesellschaftlicher Bedeutung. Was Rang und Namen hatte, ließ sich hier kurieren, linderte seine Wehwehchen im Moor oder traf sich einfach nur, um Kontakte zu pflegen.
Heute ist das ähnlich, abgesehen von dem Rang und dem Namen. Den braucht nun keiner mehr, der nach Bad Elster zur Kur kommt. Und auch mit dem Wort Kur sieht man es hier nicht mehr so verbissen. Im heilenden Moor seine Verspannungen loswerden, beim Cleopatra-Tag in Stutenmilch planschen, ein gemeinsames Bad bei Kerzenschein im Holzzuber genießen oder sich einfach nur klassisch massieren lassen - Medical Wellness heißt das neue Zauberwort, welches durch die altehrwürdigen Bogengänge des Albert-Bades hallt. Die verwinkelten Gänge und Nischen, die prunkvoll gefliesten Wände und die feudal verzierten Bögen versetzen schnell in die Vergangenheit zurück. Vielleicht ist es grade die nostalgische Bäderarchitektur im Jugendstil, die das Abenteuer perfekt macht. Eben wandelt man noch in Alberts Badehaus, spürt dem Flair des Königlichen nach und in der nächsten Sekunde spaziert man schon durch die großzügige Saunalandschaft ins "Elsterado", das moderne Erlebnisbad.
In Bad Elster machen schon lange nicht mehr nur Senioren Urlaub. Vielmehr bemüht man sich auch um jüngere Familien, gerne auch mit Kindern. Man lockt mit Angeboten, die direkt auf bestimmte Berufe zugeschnitten sind. Erholung für den ewig verspannten Journalisten, den gestressten Polizisten, den Dachdecker, Winzer, Bäcker und so weiter. Auch jeweils eine spezielle Kur für Lehrer, Kraftfahrer und Gärtner wird angeboten. Kein Wunder, dass Bad Elster zu DDR-Zeiten "Bad der Werktätigen" hieß. Seit neustem sind auch Schokoladenbäder und das Bad in einem würzigen Schwarzbier zu bekommen. Der Kakao soll den Cholesterinspiegel senken, das Gewebe entwässern und vor Arterienverkalkung schützen. Die Hefe im Bier wirkt feuchtigkeitsspendend, Vitamine und Mineralstoffe regen den Stoffwechsel an.
Eigentlich müsste man das "Paradies" in den Mauern des Albert-Bades den ganzen Tag gar nicht verlassen. Drinnen hat man ja alles, was man braucht. Zwischen Sauna und Schwimmbad mal schnell eine Maniküre und zwischen Rasul und der Massage mit heißen Lavasteinen eine Viertel Stunde Wassergymnastik. Doch so besteht die Gefahr, Bad Elster gar nicht richtig zu entdecken und das wäre schade.
Der beschauliche Ort im Süden des Vogtlandes ist seit 150 Jahren Sächsisches Staatsbad, liegt im Dreiländereck zwischen Sachsen, Bayern und Böhmen. 1850 wurde der Grundstein für die großzügigen Parkanlagen gelegt. Unzählige Bänke laden nach einem ausgiebigen Spaziergang zum Verweilen ein und 46 Kilometer beschilderte Wanderwege möchten auch erst mal abgelaufen sein. Das kurörtliche Ambiente der Stadt wird von herrschaftlichen Häusern geprägt. Die gemütlichen kleinen Pensionen entlang der Badstraße haben sich voll und ganz auf den Kur- und Wellnessbetrieb eingestellt.
Bis zur tschechischen Grenze sind es mit dem Fahrrad nur einige Kilometer durch den Wald. Und die Quellen, die schon Dichterfürst Goethe 1795 als "säuerlich und erquicklich" lobte, wollen mindestens einmal täglich besucht sein. Siebzehn Trinkquellen mit verschiedener Zusammensetzung und Heilkraft sprudeln hier und im benachbarten Bad Brambach. Die Liste dessen, was bekämpft oder gelindert werden kann, ist lang. Neben Herz- und Nierenleiden, Harnwegserkrankungen und Stoffwechselproblemen ist schon der Geschmack interessant. Der "Elstersäuerling" macht seinem Namen alle Ehre. Auch oder gerade mal einfach nur dazusitzen und die Gesichter der anderen Kurgäste zu beobachten, wenn der erste Schluck getrunken wird, macht Spaß und ist schon allein eine Reise wert. An den Wänden sind übrigens die mineralischen Zusammensetzungen der einzelnen Quellen aufgelistet. Das ist vor allem für Patienten mit Bluthochdruck wichtig.
Viele Gäste gönnen sich abends noch ein wenig Kultur. Etwa ein Konzert der Chursächsischen Philharmonie im "König Albert Theater" oder einen Besuch des "Königlichen Kurhauses". Oder sie gehen gut essen in eines der vielen Restaurants. Genauso, wie es die Menschen, die nach Bad Elster kamen, eigentlich schon immer getan haben.
Die freundliche Frau hinter dem Tresen lächelt. "Wie war das Bierbad?" "Ein Traum", antwortet der Mann, der inzwischen gar nicht mehr verwirrt aussieht. "Ich wollte schon immer mal im Bier schwimmen."