Russland Russland: Putin wird bei Parlamentswahlen abgestraft
Moskau/dapd. - Die Partei des russischen MinisterpräsidentenWladimir Putin ist bei der Parlamentswahl am Sonntag offenbardeutlich abgestraft worden. Nach der Auszählung in rund 75 Prozentder Wahlbezirke erhielt die Partei Einiges Russland rund 50 Prozentder Stimmen. Das wären 17 Prozentpunkte weniger als bei der Wahl2007.
Zuvor hatte das Meinungsforschungsinstituts VZsiOM eine Nachfrageveröffentlicht, nach der Einiges Russland auf 48,5 Prozent kam, inder Prognose des Instituts FOM erzielte Putins Partei 46 Prozent derStimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 60 Prozent.
Damit verliert Einiges Russland seine Zweidrittelmehrheit, die es2007 mit einem Stimmenanteil von 67 Prozent erzielt hatte. In einerStellungnahme zeigte sich Putin dennoch zuversichtlich. «Wir könnenmit diesem Ergebnis eine stabile Entwicklung des Landesgewährleisten», sagte er am späten Abend. Das Endergebnis wurde fürMontagmorgen erwartet.
Die Kommunistische Partei erhielt laut Wählernachfragen understen Auszählungen fast 20 Prozent der Stimmen und wäre damitzweitstärkste Kraft in der Duma. Bei der Wahl vor vier Jahren lagsie bei unter zwölf Prozent.
Zwtl.: Wahl wurde von Manipulationsvorwürfen begleitet
Die Abstimmung am Sonntag wurde von Manipulationsvorwürfenbegleitet. Der Vorsitzende der Kommunistischen Partei, GennadiSjuganow, sagte, Beobachter seiner Organisation hätten in Moskaueine mit 300 Stimmzetteln gefüllte Wahlurne entdeckt, bevor dieWahllokale überhaupt geöffnet hätten.
Sjuganow sagte, ähnliche Zwischenfälle mit präparierten Wahlurnenhätten KP-Beobachter aus Rostow am Don und anderen Städten gemeldet.In Krasnodar seien vor Wahllokalen Personen aufgetaucht, die sichals KP-Beobachter ausgegeben hätten. Die wirklichen KP-Beobachterseien dann nicht mehr zugelassen worden. Aus Wladiwostok berichtetenWähler, dass die Regierungspartei Einiges Russland kostenloses Essengegen das Versprechen angeboten hätten, für sie zu stimmen.
Der frühere Ministerpräsident Michail Kasjanow erhob schwereVorwürfe gegen seinen einstigen Vorgesetzten Putin. «Es ist absolutklar, dass es keine richtige Auszählung gibt», sagte er am Sonntag.«Die Behörden haben ein Imitat von freien Wahlen geschaffen. Das istkeine Wahl und sie ist nicht frei.»
In Moskau wurden mehrere Journalisten, darunter ein Fotograf derNachrichtenagentur AP, kurzzeitig festgenommen, nachdem sie Fotosvon einem Wahllokal gemacht hatten. Bei einer Protestkundgebung derOppositionsgruppe Linke Front auf dem Roten Platz nahm die Polizeirund ein Dutzend Aktivisten fest. Auf einem anderen Moskauer Platzseien am Sonntag über 100 Demonstranten festgenommen worden, teiltedie Polizei mit. Weitere 70 Demonstranten hätten dieSicherheitskräfte in St. Petersburg in Gewahrsam genommen.
Die einzige unabhängige russische Wahlbeobachtergruppe Golosberichtete, in der Wolga-Stadt Samara seien Beobachter undMitglieder der Wahlkommission, die Oppositionsparteien angehören,daran gehindert worden, die Versiegelung von Wahlurnen zuüberprüfen.
Von Manipulationen betroffen seien insbesondere Briefwahlstimmen.Golos-Direktorin Lilija Schibanowa sagte, Personen mitBriefwahlunterlagen seien mit Bussen zu mehreren Wahllokalengefahren worden. In einem Zwischenbericht der Beobachter derOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hießes: «Die meisten Parteien haben einen Mangel an Vertrauen in dieFairness des Wahlprozesses ausgedrückt.»
Zwtl.: Nur sieben Parteien zugelassen
Die Kreml-kritischsten Oppositionsparteien durften keineKandidaten ins Rennen schicken, insgesamt wurden nur von siebenParteien Kandidaten zugelassen. Unabhängige Wahlbeobachter derNichtregierungsorganisation Golos dokumentierten mehr als 5.300Wählerbeschwerden, die sich zumeist auf Einiges Russland bezogen.
Am Wahltag waren die Internetseiten des unabhängigenRundfunksenders Echo Moskwi und Golos nicht erreichbar. «Der Angriffauf die Seite am Wahltag steht offensichtlich in Zusammenhang mitVersuchen, die Veröffentlichung von Informationen über Verstöße zubehindern», twitterte der Chefredakteur des Moskauer Echos, AlexejWenediktow.
Putin braucht einen Erfolg bei der Parlamentswahl, um den Weg fürseine Rückkehr ins Präsidentenamt zu ebnen. 2008 musste Putin lautVerfassung nach zwei Amtszeiten als Präsident zurücktreten.Gleichzeitig installierte er Medwedew als Nachfolger, der in einemviel kritisierten Postentausch nun als Spitzenkandidat für dieRegierungspartei in die Parlamentswahlen zog und nach denPräsidentschaftswahlen am 4. März 2012 wieder Regierungschef werdensoll. Putin warf westlichen Regierungen am Sonntag vor, sich in dieWahlen einmischen zu wollen.