Ruhelos im Ruhestand Ruhelos im Ruhestand: Kult-Masseur Hermann Rieger fehlt der Stress

Hannover/dpa. - Beim HSV hat Rieger insgesamt 1755 Spiele miterlebt - darunterdrei Deutsche Meisterschaften, den Pokalsieg 1987 und den Europacup-Erfolg der Landesmeister 1983. Nach 26 Dienstjahren ist er im Vorjahrin den Ruhestand verabschiedet worden. «Das war unglaublich. Ich habekein Tor geschossen und dennoch ein Abschiedsspiel mit Fußballern ausaller Welt bekommen», sagt der 63-Jährige ebenso stolz wie wehmütig.
Geboren und aufgewachsen ist Rieger im bayerischen Mittenwald. AlsEinzelhandelskaufmann sollte er den Laden seiner Eltern übernehmen.«Aber das war nicht so mein Ding, ich wollte schon immer was mitSport machen.» Deshalb wurde er Trainer beim Deutschen Skiverband.«Masseur wollte ich erst gar nicht werden, aber dann hat mich einKollege einfach an der Schule angemeldet.» Nach seiner Ausbildungfolgte ein Praktikum bei der Fußball-Nationalmannschaft, ein Jahrbeim FC Bayern München und 1978 dann die Anstellung beim HSV.
Dort hat Rieger täglich von etwa sieben Uhr morgens bis weit nachMitternacht rund ein Dutzend Spieler versorgt. Nicht nur prominenteKicker hat der Masseur durchgeknetet, auch Tennis-Asse wie IvanLendl, Boxer wie die Klitschkos und sogar Schauspieler wie Jean-PaulBelmondo. «Das Schönste war immer, wenn sich ein Spieler Donnerstagverletzt hat und Samstag schon wieder spielen konnte», berichtet er.
Der Mann, dem «goldene Hände» nachgesagt werden und der eineneigenen Fanclub («Hermann's treue Riege») hat, kann viele Geschichtenerzählen. Sein schlimmstes Erlebnis war der Unfall, bei dem HSV-ProfiDitmar Jakobs an einem Karabinerhaken im Tor hängen blieb. Aber auchschöne Erinnerungen gibt es, wie das Europapokalsieg in Athen. «Wirwaren absolute Außenseiter und haben doch gewonnen. Das war Mittwoch,und Samstag wurden wir auch noch Deutscher Meister. Ein unglaublichesJahr», betont Rieger, der zu Assen wie Franz Beckenbauer, WolfgangRolff, Felix Magath und Bernd Hollerbach immer noch viel Kontakt hat.
«Ich bin ein Glückskind, denn mir ist alles in den Schoßgefallen», resümiert Rieger. Es gefällt ihm, dass er immer noch vonKollegen angerufen, um Hilfe gefragt, von wildfremden Menschen aufder Straße angesprochen und um ein Autogramm oder gesundheitlicheTipps gebeten wird. «Ich helfe immer gerne», sagt der Masseur. Er istvor einem halben Jahr operiert worden und befindet sich noch in derRegenerationsphase. Was danach kommt ist noch unklar. Aber: «Ich willauf jeden Fall wieder Skifahren, Bergsteigen und Tennis spielen.»