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Rodeln Rodeln: Eine Karriere, die auf dem Zahnarztstuhl begann

Von RÜDIGER FRITZ 01.02.2010, 21:24

HALLE/MZ. - Alles so wie damals zu Hause in dem Harzstädtchen Blankenburg. Nur rodelt sie bei ihren Besuchen heute nicht mehr verwegen die Straße hinab.

Die beste Rodlerin der Welt hat sichtlich Spaß an dem Ausflug zu den Wurzeln, an dem Fototermin mit der MZ vor der Kulisse der Blankenburger Barockgärten. Mal weit weg sein von ihrem High-Tech-Sport. Den Tests im Windkanal, dem millimetergenau dem Körper angepassten Schlitten, dem hautengen Anzug.

Blankenburg, so sagt die 26-Jährige, sei ihre Fluchtburg. "So oft es geht, aber leider zu selten" sei sie hier. Mit 14 hatte sie ihre Heimatstadt verlassen, um im Rodelzentrum Oberwiesenthal auf die Sportschule zu gehen. Ihre Eltern, die Zahnärzte Karin und Edgar Hüfner, leben immer noch hier. Auch ihr zwei Jahre jüngerer Bruder Alexander kommt oft vorbei, obwohl er in Greifswald studiert. Zahnmedizin, wie einst die Eltern. Und auch wenn Tatjana als Leistungssportlerin einen völlig anderen Weg eingeschlagen hat, auf gewisse Weise ist auch ihr Weg mit dem Zahnarztstuhl verbunden. Nimmt man es genau, ist die elterliche Praxis sogar der Ausgangspunkt ihrer Karriere.

Vor Jahren behandelte Vater Edgar den Rodel-Trainer Uwe Müller. Und der hatte beim freundschaftlichen Plausch danach einen Tipp parat, wie der Doktor der Hyperaktivität seines kleines Sohnes Alexander beikommen könnte. "Mit Sporttreiben, mit Rodeln." So begann alles.

"Mein Bruder war es, der mich zum Rodeln gebracht hat", erinnert sich Tatjana Hüfner. "Ich als die Ältere habe ihn immer dorthin begleitet und schnell Feuer gefangen." Der Bewegungswechsel hätte für das Mädchen kaum unterschiedlicher ausfallen können: Bis dahin hatte sie sich dem Kindertanz verschrieben, genauer gesagt, dem Barocktanz. "Ich vermute", sagt ihr Vater, "dass das Tanzen ihre gute Koordinationsfähigkeit mit ausgeprägt hat."

Beim Rodeln ist sie geblieben, aber auch das Tanzen hat Tatjana Hüfner nicht losgelassen. Das Barocke aus der Kindheit ist es zwar nicht mehr, dafür der gepflegte Gesellschaftstanz. Doch das ist eine der seltenen Ablenkungen vom Sport. Auch in Blankenburg begleitet sie heute ihr Beruf. Ihre Freundin Katina Ettlich betreibt dort ein Fitness-Studio. Tatjana Hüfner ist Ehrenmitglied und schuftet auch an den Geräten. "Ich muss immer etwas tun, nicht nur, wenn ich auf dem Schlitten sitze. Rumhängen oder gar Faulenzen gibt es bei mir nicht", sagt sie.

Ihre Rodel-Konkurrentinnen bezeichnen das als Hang zur Perfektion. Der ist in der Szene gemeinhin geschätzt. Oder gefürchtet.

"Nur eines mag Tatjana gar nicht: viel über das Rodeln erzählen", sagt Vater Edgar. "Das haben meine Frau und ich respektiert. Wir sagen uns, dass unsere Tochter seit früher Jugend weiß, was sie will. Wir müssen ihr da nicht hineinreden." Sie habe es ohnehin schwer genug, mit ihrer Favoritenstellung klar zu kommen. "Da muss man nicht noch drauf herum reiten."

Demnächst geht Vater Hüfner mit seiner Frau Karin, die Vorsitzende des Rodelclubs Blankenburg ist, auf große Reise. Wie schon bei den Olympischen Spielen 2006 in Turin, wo ihre Tochter die Bronzemedaille gewann, werden beide auch an der Olympiabahn im kanadischen Whistler stehen. "Wir hoffen, dass Tantjana mit dem irrsinnigen Erwartungsdruck fertig wird", sagt Edgar Hüfner. Nur reden wollen sie nicht. "Kontakt werden wir in Kanada erst zu ihr aufnehmen, wenn alles vorbei ist."