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Reitverein Reitverein: Beim blinden Stall-Casanova geht es nach dem Geruch

Von Michael Deutsch 10.05.2001, 13:52

Albersroda/MZ. - Trotz seiner Blindheit kommt der Prachthengst namens Dedo bestens zurecht. Orientiert nach Gehör und Geruch bestreitet der Fuchs auf dem Reiterhof von Walter Nörenberg, Vorsitzender des Reitvereins Albersroda, ein Pferdedasein, das ganz und gar leidenschaftlicher Natur ist. "Denn Dedo ist ein Deckhengst von allerbester Herkunft aus einer bedeutenden Mecklenburger Hauptlinie", berichtet Nörenberg.

1982, im ehemals volkseigenen Gestüt Zöthen in Thüringen geboren, wuchs Dedo als DDR-Spitzenhengst heran und wurde nach erfolgreicher Körung als Zuchttier für die volkseigene Deckstation des staatlichen Pferdesports von Neustadt Dosse ausgewählt. Nach seiner Erblindung 1986 und der Privatisierung der Genossenschaft hätte es aber für Dedo keine Zukunft gegeben, erzählt der 72-Jährige. Er kaufte das Tier, holte sich den blinden Casanova in den Stall.

Heute kann Dedo voller Stolz auf seine exzellenten Nachkommen blicken. Rund 88 eingetragene Turnierpferde und 47 eingetragene Zuchtstuten seien Nörenberg bisher bekannt. Die Leistungsbereitschaft von Dedo, von der der Pferdeliebhaber so schwärmt, werde schließlich mit vererbt, ist er sich sicher. Und Hengst Dedo ist leistungsbereit - nicht nur charakterlich. Noch heute kommen die Pferdedamen aus Sachsen, Sachsen- Anhalt, Thüringen und Hessen zu ihrem Dedo angetrabt. Ganz egal, ob der Fuchs verglichen mit unserem Menschenalter schon 76 Jahre ist - der Altersvergleich von Mensch zu Pferd liegt im theoretischen Verhältnis von 1:4 - er erfüllt seine Aufgabe noch immer voller Leidenschaft. Die trüben Augen stören nicht. Schließlich geht er nach dem Geruch seiner Liebschaften.

Im so genannten Abprobierstand, wo der Hengst die eingesperrte Stute begutachtet, entscheidet sich schließlich, ob die Chemie stimmt. Und da verhält sich Dedo wie wir Menschen. Den einen kann man eben riechen und den anderen halt nicht.