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Reise-Tipp Reise-Tipp: Dampfer-Romantik auf dem Mississippi

Von Kurt Ulrich 26.04.2001, 16:08

New Orleans/MZ. - All aboard!" tönt's von der Brücke,während die Calliope, eine achtern gelegeneDampforgel, Evergreens tutet und sich dasknallrote Heckrad zu drehen beginnt. "DeltaQueen" fährt den milchkaffeebraunen Mississippihoch - in vier Tagen von New Orleans nachVicksburg, in drei Tagen wieder zurück.

Der4074 Kilometer lange Fluss ist mehr als einevielbefahrene Verkehrsader. An seinen Ufernkonzentriert sich Geschichte und ist der Jazzerfunden worden. Wer eine Dampferfahrt aufNordamerikas mächtigstem Strom macht, unternimmteine nostalgische Reise in die Vergangenheit.

In der Mitte des letzten Jahrhunderts fuhrenüber 400 Mississippi-Dampfer stromaufwärtsbis St. Louis, stromabwärts nach New Orleans:Am Bug eine ausschwenkbare Gangway, am Heckoder beiderseitig des Rumpfs ein mächtigesSchaufelrad, alles überragt von zwei schwarzen,schlanken Schornsteinen mit einem kronenförmigenAbschluss. Sie transportierten Baumwolle undPassagiere, waren schwimmende Varietés undgalten als "schwimmende Paläste": Kandelaberaus Silber, Statuen aus Marmor, Täfelung ausRosenholz. Heute laufen lediglich noch dreiHeckraddampfer der Delta Queen Steamboat Companyzu Kreuzfahrten auf den Mississippi aus, darunterauch die "Delta Queen".

"Good Morning, Steamboaters!" Professionellgut gelaunt begrüßt der Cruise Director überBordlautsprecher seine Mitreisenden. Im "PilotHouse" navigiert Kapitän Gabe Chengery undgibt mit einem altertümlichen MaschinentelegraphenBefehle in den Maschinenraum. Die 174 Passagieresonnen sich in Schaukelstühlen, eine Dixielandbandschmettert "Down by the Riverside", die putzige,unter Denkmalschutz stehende "Delta Queen"dampft stromaufwärts. Mal begegnet sie PS-starkenBugsierbooten, die 40 und mehr Frachtkähnestoßen, mal weicht sie dahintreibenden Baumstämmenaus. Beiderseits des Mississippi liegen Städteund Industrieanlagen, weite Baumwollfelderund historische Herrschaftshäuser. Zuweilentutet die "Queen", driftet zum Ufer und fährtdie Landungsbrücke aus.

Für einen Landgang, etwa an Strommeile 230.Baton Rouge (sprich: Bätten Rudsch), die Hauptstadtvon Louisiana, nimmt sich gesichtslos aus,doch ein außerhalb gelegenes Freilichtmuseumzeigt die Kehrseite des aristokratischen Südensvon einst. Wohnhäuser, Werkstätten, Kircheund Gefängnis dokumentieren, wie elend dieSklaven gelebt haben. Oder Strommeile 265.Rosedown ist eines der schönsten "PlantationHouses", wie sie zu Dutzenden am Mississippistehen und die Margaret Mitchell in "Vom Windeverweht" beschrieben hat: "Das weiße Hausstand in seinem makellosen Ebenmaß vor ihnen,mit hohen Säulen, breiten Veranden und flachemDach." Eine Allee mit 100-jährigen Eichenführt zur zweistöckigen Villa. Sie erinnertan einen griechischen Tempel, nur dass allesaus Holz ist. Zwar blättert die Farbe vonder Fassade ab, doch innen geht' s immer nochprotzig zu.

Mit sechs Meilen die Stunde dampft die "DeltaQueen" nach Vicksburg, die Talfahrt zurücknach New Orleans schafft sie fast doppeltso schnell. Der Heckraddampfer legt in NewOrleans an, genau wie es bei Mark Twain nachzulesenist: "Schrillend schießt der zusammengepressteDampf aus den Ventilen. Der Kapitän hebt dieHand, eine Glocke ertönt, die Räder haltenan."