Regisseur Leander Haußmann über die NVA Regisseur Leander Haußmann über die NVA: «Ich habe schon sehr gelitten»
Berlin - Haußmann hat als ehemaliger Obermatrose seine ganz eigenen Erfahrungen bei der Armee in den Film eingebracht. «NVA» startete am 29. September 2005 in den Kinos.
Frage: Wie war Ihr eigenes Lebensgefühl bei der NVA?
Haußmann: «Ich habe schon sehr gelitten, obwohl ich gar nicht in so einer schlimmen Einheit war. Aber trotzdem war es so, dass einem alles was man tat gegen den Strich ging und man sich dann damit arrangieren musste. Das ging soweit, dass man dort auch schöne Stunden verbracht hat. Das Aufbegehren gegen das System war die Ausnahme. Zu diesen Ausnahmen gehörte ich in diesem Fall nicht. Das vorherrschende Gefühl in der Armee war Langeweile. Es war Mittelmäßigkeit, Hässlichkeit und Langeweile. Dann hat man für sich eine innere Welt gesucht, in der man gelebt hat. Das waren Briefe, die mir jetzt nach 20 Jahren von Freunden wieder zurückgegeben wurden. Und das war Musik - nicht Marschmusik oder Karat, sondern die großen Songwriter dieser Zeit.»
Frage: Was hat die NVA über den Zustand der DDR ausgesagt?
Haußmann: «Die DDR ist an ihrer Lieblosigkeit zu Grunde gegangen. Sie hat etwas von einer verschmähten Liebhaberin, sie wollte immer Liebe. Das ist auch das Thema des Films: Verteidige das, was Du liebst. Was Du nicht liebst, kannst Du nicht verteidigen. Das wird auch heute immer wesentlicher. Was lieben wir? Was ist überhaupt Heimat? Viele haben sich entschlossen, die DDR und ihre Vergangenheit als Heimat zu betrachten und diese Nostalgie oder Ostalgie für sich aufzubauen - weil sie nicht angekommen sind in diesem System. Sie sind enttäuscht, weil sie sich das anders vorgestellt haben damals. Davon erzählt der Film natürlich auch ein bisschen, aber ohne aufdringlich zu sein. Ich versuche immer, höflich und charmant zu bleiben. Ich sehe in der DDR nicht das Drama im Großen. Ich habe mich immer als Sammler der kleinen Dinge verstanden. Ich ignoriere ja nicht die Grausamkeit des Systems, in diesem Fall die Diktatur. Aber ich beschäftige mich mit dem Unheldischen. Die meisten Geschichte, die wir erzählen, sind wahre und erlebte Geschichten.»
Frage: Sind Sie Pazifist?
Haußmann: «Nein, bin ich nicht. Ich halte Pazifismus für eine nicht ausführbare Utopie. Ich bin in dem Moment kein Pazifist mehr, in dem jemand vor meiner Tür steht, der mein Leben und das Leben derer, die ich liebe, bedroht. Ich halte nur die Armee und die Wehrpflicht für nicht demokratisch, weil sie ein Eingriff in das Privatleben eines Menschen sind. Ich wollte zeigen, wie sinnlos, absurd und unheldisch Armee generell ist. Ich bin gerne bereit, mehr Steuern zu zahlen für eine grundsolide ausgebildete, harte Berufsarmee von hoch motivierten Leuten, die das gerne tun. Aber nicht, damit mein Neffe dahin schlurfen muss und ihm anderthalb Jahre seines Lebens gestohlen werden.» (dpa)