Regionalliga Regionalliga: Wiener Charme für Leipzig
LEIPZIG/MZ. - So ein Stück weit weltmännisch ging es am Donnerstag zu im Hotel Radisson mitten in der Leipziger Innenstadt. Dabei ging es nur um Fußball. Und da noch nicht einmal um einen Weltverein wie Manchester United oder Real Madrid, der zur Audienz bittet, sondern um RB Leipzig. Ein Verein aus der vierten Liga, der allerdings tatsächlich ebenso einzigartig wie außergewöhnlich in der deutschen Fußball-Landschaft ist. Ein Verein, der auf Biegen und Brechen in kürzester Zeit sein Zuhause in der Bundesliga sieht, dem sich auf dem Weg dahin aber doch ein paar Stolperfallen in den Weg stellen. Es passt sportlich einfach nicht, der erste Anlauf in die dritte Liga scheiterte kläglich. Und weil dem so ist, greift auch bei RB Leipzig der überall in der Fußball-Welt gängige Mechanismus: Ein neuer Trainer muss her.
Peter Pacult heißt der Mann, der das Wunder von Leipzig nun im zweiten Anlauf vollbringen soll. Er ist Österreicher, 51 Jahre alt und gibt sich zunächst einmal ganz irdisch. Im roten Pullover und in Jeans präsentierte er sich am Donnerstag erstmalig den Leipzigern und startete seine Charme-Offensive. Unverkrampft im doch mitunter so lustigen Wiener Dialekt. "So komme ich am ehrlichsten herüber. Ich will mich nicht verstellen."
Das klang fast wie eine Entschuldigung. Doch das hätte er gar nicht tun müssen. Jeder hatte jedes Wort verstanden. Und die sympathische Charme-Offensive ging weiter: "Ich bin ab sofort hier in Leipzig. Jeder soll sich sein eigenes Bild von mir und meiner Person machen", sagte Pacult in einer persönlichen Erklärung, in der er auch darum bat, ihm eine Chance zu geben und fair zu ihm zu sein.
Das war es denn allerdings auch, was Pacult zunächst einmal zu sagen hatte. Denn zu mehr wollte, konnte oder durfte er keine Auskunft geben. Unter anderem auch nicht zum Sportdirektor Thomas Linke, der nur wenige Stunden vor Pacults Ernennung zum künftigen Cheftrainer aus "persönlichen Gründen" seinen Rücktritt erklärt hatte. Dieter Gudel, Geschäftsführer bei RB Leipzig, erklärte, keine weitere Nachfrage duldend, dass er sich "nicht weiter zur Herrn Linke äußern" wolle. Und von Pacult selbst kam der geradezu logische Nachsatz: "Ich kann nichts kommentieren, was mich nicht betrifft."
Über einen Zusammenhang zwischen Linkes plötzlichem Aus und Pacults Inthronisierung kann so nur trefflich spekuliert werden. Fakt ist, dass sich Linke für einen Trainer ausgesprochen hatte, der offenkundig und für jedermann nachvollziehbar mit der Region verbunden ist. Pacult erfüllt diese Anforderung trotz seiner kurzzeitigen Tätigkeit von Dezember 2005 bis September 2006 bei Dynamo Dresden eben nur bedingt und erhielt trotzdem den Zuschlag bei der Trainersuche. Das lässt die Schlussfolgerung zu, dass bei RB Leipzig ohnehin alle wichtigen Entscheidungen in der Zentrale des Sponsors Red Bull in Salzburg getroffen werden. Auch Gudel vermochte diesen Eindruck mit seinem Verweis auf das "globale Netzwerk bei Red Bull" so recht nicht zu entkräften.
Vieles bleibt also undurchsichtig bei RB Leipzig, weil alle wesentlichen Fragen zunächst unbeantwortet blieben. Sicher ist nur, dass der noch amtierende Trainer Tomas Oral die Saison noch halbwegs anständig zu Ende bringen soll und Pacult danach einen Zwei-Jahres-Vertrag erhalten hat. Mit dem Ziel, in dieser Zeit zwei Mal aufzusteigen. Ob der Österreicher dann gleichzeitig auch als Sportdirektor tätig ist, konnte und wollte am Donnerstag niemand beantworten. "Wir müssen uns da erst einmal neu sortieren", sagte Gudel. Ebenso unbeantwortet blieb die Frage, mit welchem Spielerpersonal Pacult den neuen Anlauf unternehmen will oder soll.
Eines ist aber klar: RB Leipzig und Red Bull peilen ehrgeizig weiter die Bundesliga an. "Ich weiß um die großen Ziele, die RB hier hat. Ich hoffe, dass ich sie erfüllen kann", sagt Pacult. Und er konnte mit seinem ersten öffentlichen Auftritt durchaus Pluspunkte sammeln und versprach: "Vor mir muss sich kein Spieler ducken oder verstecken. Jeder soll so bleiben, wie er ist."
Peter Pacult wird an diesen Worten künftig gemessen werden. Erweist sich der erste Eindruck als dauerhaft, kann er mit seinem Charme, seiner gewissen Portion Schlitzohrigkeit und vor allem seiner Authentizität ein Imagegewinn für einen Verein sein, der so oft als Kunstgebilde verspottet wird. Aber: Er braucht auch sportliche Erfolge. "Siege sind unser größter Imagegewinn", sagte dann auch Dieter Gudel unmissverständlich.
Es wird also spannend in der Saison 2011 / 12 in der Regionalliga. Denn neben RB Leipzig hat sich auch noch ein zweiter Verein ungewöhnlich deutlich das Ziel Aufstieg auf die Fahnen geschrieben: der Hallesche FC, nur 40 Kilometer Luftlinie von Leipzig entfernt.