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Raymond Hecht Raymond Hecht: Speerwerfer fürchtet nur Verletzungen

Von unserem Radakteur Rüdiger Fritz 11.09.2003, 20:27

Magdeburg/MZ. - Die Fernseh-Weltmeisterschaft geriet für den 34-Jährigen zu einer Qual. Ähnlich wie Rudi Völler nach dem Fußball-Länderspiel in Island wäre er nach dem Verriss der deutschen Athleten am liebsten in die Luft gegangen, aber Hecht wählte eine nervenschonendere Variante. Er schaute sich die Wettkämpfe nur noch in der englischen Version von Eurosport an, "weil dort nicht ständig auf die Sportler eingedroschen und Anstand bei der Beurteilung von Leistungen gewahrt wurde." Der Magdeburger sagt aber auch: "An jeder Kritik ist Wahrheit. In etlichen Disziplinen sieht es in der deutschen Leichtathletik böse aus. Wir sind im Rückwärtsgang. Die Leistungsträger werden älter, die Ausfälle nehmen zu."

Alle Schuld an dem mit Platz 28 ernüchternden Abschneiden des deutschen Teams auf die Athleten abzuladen, geht ihm an den Ursachen der Misere vorbei. Solche Naturburschen wie ihn zu finden, der in seiner Kindheit jede Kastanie oder jeden Stein, den er zu fassen bekam, so weit wie möglich wegschleuderte, sei in der heutigen Zeit eine Seltenheit. "Die Kinder haben keine Einstellung mehr zur Leichtathletik. Immer weniger wollen hart trainieren. Die Interessen gehen in ganz andere Richtungen", beklagt Hecht. Eine erfolgsversprechende Talentesichtung gebe es nicht mehr, der Stellenwert des Schulsports sei inzwischen jämmerlich. Die Substanzverluste der neuen Trainer-Generation trügen zum Dilemma bei. "Wir müssen uns daran gewöhnen, dass es nur noch einzelne deutsche Spitzen-Leichtathleten geben wird."

Hechts Karriere ist bestimmt von weiten Würfen wie seinem acht Jahre alten deutschen Rekord von 92,60 Metern und von geplatzten Hoffnungen. Seine Bronzemedaille von der Europameisterschaft 1998 in Budapest ist die einzig gewonnene bei internationalen Titelkämpfen. Jeweils Platz vier bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta und 2000 in Sydney scheinen ihm sagen zu wollen, dass die Medaillen einen Bogen um ihn machen. Die Olympischen Spiele 2004 in Athen - "sicherlich meine letzten" - sollen seine "Angst" vor einem Podestplatz widerlegen. "Ich werde so zielgerichtet wie nie darauf hin trainieren, damit ich mir nichts vorzuwerfen habe."

Ein anderer Termin verdrängt jetzt die Gedanken an Olympia. In wenigen Tagen, am 20. September, wird Raymond Hecht in London seine dort lebende Freundin Tracy Howard heiraten, mit der er die zweijährige Tochter Tatiana Star hat. Als er Tracy kennen lernte, war sie eine der besten Britinnen in der Danceaerobic. Inzwischen führt sie als Innenarchitektin mit malerischer Begabung ein erfolgreiches kleines Unternehmen. Für Raymond Hecht wird der Einstieg in die Firma seiner künftigen Frau nach dem Ende der Speerwurf-Karriere "aber nicht in Frage kommen. Ich kann nicht mal einen Hasen malen. Der sieht eher wie ein Schwein aus".