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Radsport Radsport: Zeitung berichtet über Epo-Spuren in Armstrongs Urin

Von Michael Becker und Hans-Jochen Kaffsack 23.08.2005, 08:11
Der US-Amerikaner Lance Armstrong im Gelben Trikot des Führenden der Gesamtwertung löscht seinen Durst (Foto: dpa)
Der US-Amerikaner Lance Armstrong im Gelben Trikot des Führenden der Gesamtwertung löscht seinen Durst (Foto: dpa) EPA

Paris/Hamburg/dpa. - Wenige Wochen nach seinem Rücktritt sind diegroßen Erfolge von Radprofi Lance Armstrong wieder ins Zwielichtgeraten. Der siebenmalige Tour-de-France-Sieger wies jedoch erneuteDoping-Vorwürfe der französischen Sportzeitung «L'Equipe» als «purenSkandaljournalismus» zurück. Das Blatt berichtete unter dem Titel«Armstrongs Lüge» am Dienstag, das vom Internationalen OlympischenKomitee (IOC) anerkannte französische Doping-Labor Châtenay-Malabrybei Paris habe 2004 in sechs Urinproben des 33-Jährigen von 1999Spuren des Blutdopingmittels Erythropoietin (EPO)nachgewiesen. DerAmerikaner hatte sich bereits am Tag vor der Veröffentlichung aufseiner Homepage («www.lancearmstrong.com») zu Wort gemeldet und denBericht als Fortsetzung einer «Hexenjagd» bezeichnet.

«Ich werde nur wiederholen, was ich schon so viele Male gesagthabe: Ich habe niemals leistungsfördernde Substanzen genommen», hießes weiter auf der Armstrong-Seite. Grundlage der Anschuldigungen inder «L'Equipe» ist die Veröffentlichung einer Kopie nachträglicherAnalysen von eingefrorenen Urin-Proben Armstrongs aus dem Jahr 1999,in dem der Texaner seinen ersten Tour-Triumph feierte.

Hein Verbruggen, der Präsident des Internationalen Radsport-Verbandes UCI, forderte die vollständige Aufklärung. Erst dann könneman entscheiden, «ob es rechtliche Schritte geben sollte und ob diesein weiterer Schlag für den Radsport» sei. Derzeit seien in den Falllediglich Armstrong und Frankreich involviert.

Der bei der Deutschland-Tour als Jury-Präsident fungierende UCI-Funktionär Martin Bruin hält juristische Schritte gegen Armstrong fürunwahrscheinlich. «Ich rechne nicht mit rechtlichen Konsequenzen»,sagte der Niederländer am Dienstag in Bonn. «Die A-Probe, die damalsgenommen wurde, war negativ, die jetzt nachuntersuchte B-Probepositiv.» Ohne gültige Gegenprobe seien juristische Schritte gegeneinen Sportler nicht möglich, erklärte Bruin.

Auch deutsche Doping-Experten bezweifeln Konsequenzen fürArmstrong. «Die Frage ist zuerst einmal, ob die Tests rechtskräftiggenug sind, um zu einer Anklage zu führen», sagte der Geschäftsführerder Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA), Roland Augustin, der dpa.«Was man hier juristisch machen kann, muss vielleicht die WADAklären», forderte Wilhelm Schänzer, der Chef des vom IOCakkreditierten Dopingkontrolllabors am Biochemischen Institut derDeutschen Sporthochschule Köln, Aktivitäten von der Welt-Anti-Doping-Agentur.

«Es gibt keinerlei Zweifel an der Gültigkeit der Test-Ergebnisse», sagte Jacques de Ceaurriz, der Direktor des LaborsChâtenay-Malabry. Allerdings seien die Proben «im Rahmenwissenschaftlicher Forschung» anonym ausgewertet worden. Es sei nichtum einen bestimmten Fahrer gegangen. Augustin kritisierte dieseVorgehensweise: «Wenn man nur wissenschaftliche Forschungsarbeitgemacht hat, gehören die Ergebnisse nicht in die Medien, und mansollte eine genaue Kenntnis der Rechtslage in den USA haben, bevorman sie öffentlich macht.»

1999 war die Methode, EPO im Urin nachzuweisen, noch nichtentwickelt. Das seit 1988 gentechnisch hergestellte und vor allem beiAusdauer-Leistern eingesetzte Mittel erhöht die Zahl der rotenBlutkörperchen, so dass das Blut mehr Sauerstoff aufnimmt. EPO stehtschon seit 1990 auf der IOC-Liste der verbotenen Substanzen;Kontrollen wurden aber erst bei den Olympischen Spielen des Jahres2000 in Sydney und der Tour de France im folgenden Jahr eingeführt.

«Wir sind nach diesen Enthüllungen sehr besorgt, sehr geschockt»,meinte Tour-de-France-Direktor Jean-Marie Leblanc in einer erstenReaktion. Die Affäre habe «schwerwiegende Auswirkungen» für die Tourund zeige, «dass der Kampf gegen Doping im Radsport und in anderenSportarten seine Zeit braucht».

Die ersten Reaktionen der internationalen Radsportszene bewegtensich zwischen Zurückhaltung und Erschütterung. «Da ich überhauptkeine Details kenne, will ich das nicht kommentieren», sagteArmstrongs Dauer-Rivale Jan Ullrich vor der letzten Etappe derDeutschland Tour in Bad Kreuznach. Der im Gelben Trikot zum Ziel inBonn fahrenden Amerikaner Levi Leipheimer, der 2000 und 2001 imArmstrong-Team US-Postal fuhr, erklärte: «Ich bin nicht Lance, dasinteressiert mich nicht.» Ullrich war bei der Tour 1999 wegen nochnicht auskurierter Sturzverletzungen nicht am Start.

In Frankreich hingegen herrschte Bestürzung. «Das ist einDonnerschlag», sagte der Sportmanager des Rennstalls Cofidis, EricBoyer und kritisierte zugleich den Radsport-Weltverband UCI. «DieJournalisten haben ihre Arbeit getan, doch finde ich es wirklichschade, dass der Internationale Radverband nicht nachträglich dieMittel einsetzt, die ihm zur Verfügung stehen.» Der 69 Jahre altefrühere französische Rad-Champion Raymond Poulidor sprach von einer«betrüblichen Sache. Als einziges kann man dazu festhalten, dass eres wie die anderen gemacht hat».