Radsport Radsport: Weltverband UCI sucht verzweifelt Weg aus der Krise
Köln/SID. - Nach dem Bannstrahl gegen Radsport-Mythos Lance Armstrong will der Weltverband UCI am Freitag am Genfer See nach dem Weg aus der größten Krise des Radsports suchen. Doch nur wenige trauen der Führung um den belasteten Präsidenten Pat McQuaid die Lösung zu. Neben John Fahey, Chef der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA, fordern auch viele andere längst dessen Rücktritt. Der dreimalige Tour-Sieger Greg LeMond (USA) bezeichnete den Iren zusammen mit dessen Vorgänger Hein Verbruggen als „Inbegriff der Korruption“ und verbreitete über Facebook: „Ich habe in der Radsport-Geschichte noch nie einen solchen Machtmissbrauch gesehen. Pat, wenn du den Radsport liebst - tritt zurück. Wenn du ihn hasst - tritt auch zurück.“ John Fahey machte deutlich: „Niemand, der in Armstrongs Jahren bei der UCI an verantwortlicher Stelle tätig war, kann noch rechtfertigen, weiterhin an der gleichen oder einen ähnlichen Stelle zu sein.“
Dessen ungeachtet will die angeschlagene UCI am Freitag in ihrem Hauptquartier in Aigle/Schweiz (McQuaid: „Wir müssen die Regeln ändern“) klären, wer für den lebenslang gesperrten Amerikaner von 1999 bis 2005 als Toursieger nachrücken soll. Doch eine salomonische Lösung scheint es nicht zu geben. Das Dilemma: Fast alle Nächstplatzierten sind oder waren wie der ehemalige deutsche Tour-Held Jan Ullrich als Zweitplatzierter 2000, 2001 und 2003 belastet, 2004 auch Armstrong-Teamkollege Andreas Klöden.
Lässt die UCI in der schwarzen Ära ihrer Sportart weiße Flecken in der Siegerliste, macht sie automatisch deutlich, dass die Fahrer nicht präsentierbar sind. „Dadurch ist deren Unschuldsvermutung aufgehoben. Ich bin gespannt, wie der Radsport dann erklären will, dass niemand nachrückt und dass gegen diese Fahrer keine Schritte eingeleitet werden sollen“, sagt die frühere deutsche Radsport-Präsidentin Sylvia Schenk als Sportbeauftragte der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International. In der Tat: Über Bjarne Riis, Ullrich, Marco Pantani, Armstrong, Floyd Landis, Alberto Contador - über sämtlichen sportlichen Toursiegern jener Epoche, ob offiziell noch als Sieger geführt oder nicht, liegt der Schatten des Betrugs. „Die Bewältigung dieser Krise kann uns Möglichkeiten für die Zukunft bringen“, sagte der umstrittene UCI-Präsident McQuaid. Seinerseits hat er seinen Rücktritt bereits am Montag bei Verkündung des Armstrong-Banns ausgeschlossen. Der Ire gilt zusammen mit Verbruggen, dem langjährigen Intimus von IOC-Präsident Jacques Rogge, seinem belgischen Landsmann, als Zentralfigur in der UCI, die Armstrongs Machenschaften lange geduldet und gedeckt haben soll.
Rogge hat inzwischen wissen lassen, dass der Radsport weiter Bestandteil des Olympischen Programms bleiben soll. Das IOC will nach den Worten des Präsidenten erst abwarten, wie die UCI am Freitag entscheidet, bevor sie sich mit der möglichen Aberkennung der olympischen Bronzemedaille von Armstrong von den Sommerspielen 2000 in Sydney befasst. Nach dem Code der WADA wäre dies nicht möglich. Aber offenbar sieht das IOC Möglichkeiten, weil besondere Umstände die normalerweise achtjährige Verjährungsfrist von Dopingdelikten hinauszögern kann. Von dieser Regel müsste dann auch die UCI Gebrauch machen, deren Disqualifikation Armstrongs bis zurück ins Jahr 1998 derzeit gültigen WADA-Regeln widerspricht.