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Radsport Radsport: Tour in den Tod

Von Esteban Engel 10.07.2007, 14:51
Der britische Radrennfahrer Tom Simpson während der Tour de France im Juli 1967. Bei der 13. Etappe am 13.7.1967 kam der Radsportler völlig überraschend ums Leben. Am Mont Ventoux, drei Kilometer unterhalb der Passhöhe, fiel er vom Rad und starb wenige Stunden später im Krankenhaus von Avignon. Dem unter Flüssigkeitsverlust leidenden Weltmeister wurde bei der Obduktion die Einnahme von Amphetaminen und Alkohol nachgewiesen. (Foto: dpa)
Der britische Radrennfahrer Tom Simpson während der Tour de France im Juli 1967. Bei der 13. Etappe am 13.7.1967 kam der Radsportler völlig überraschend ums Leben. Am Mont Ventoux, drei Kilometer unterhalb der Passhöhe, fiel er vom Rad und starb wenige Stunden später im Krankenhaus von Avignon. Dem unter Flüssigkeitsverlust leidenden Weltmeister wurde bei der Obduktion die Einnahme von Amphetaminen und Alkohol nachgewiesen. (Foto: dpa) dpa

Compiègne/dpa. - So ging vor 40 Jahren eine vielversprechendeProfi-Karriere zu Ende. Simpsons Tod ist eines der großen Dramen inder Geschichte der Tour de France.

Mit dem Schicksal des Engländers verlor die Tour ihre Unschuld.Vollgepumpt mit Amphetaminen und einem Giftcocktail ausalkoholhaltigen Aufputschmitteln wurde Simpson das erste tragischeDopingopfer des legendären Rennens.

Noch am Morgen war das Peloton bei mehr als 45 Grad im Schattenzur 211 Kilometer langen Etappe von Marseille nach Carpentrasaufgebrochen. Zwischen Start und Ziel erhebt sich der «windige Berg»,mit 1912 Metern ein einsamer Riese der Provence. An dem vom Mistral-Wind traktierten Schicksals-Gipfel sind immer wieder Radsport-Träumezerschellt. Simpson, der zwei Jahre zuvor am Gardasee Straßen-Weltmeister geworden war, gilt als einer der Favoriten der Tour 1967.Er will die Bestie bändigen.

Sengende Hitze liegt an diesem 13. Juli über der Ebene. 13 istauch die Etappennummer. Simpson hat sich neben dem Spanier JulioJiménez und dem Franzosen Raymond Poulidor an die Spitze gesetzt. DasTrio klettert die Kehren des Ventoux hoch, 1600 MeterHöhenunterschied, Steigungen von bis zu elf Prozent. Fünf Kilometervor dem Ziel will der Brite Tempo machen, doch es gelingt ihm nicht.

Simpsons Blick, das wird nach seinem Tod auf den Bildern des Tagesdeutlich, ist der eines Gezeichneten. Die Augen leer, das Gesichthohl, Schaum am Mundwinkel. Anderthalb Kilometer vor dem Gipfelbricht er zum ersten Mal zusammen. Die Helfer des Peugeot-Teams hebenihn wieder ins Rad. Doch Simpson kann nicht mehr. Er ist ausgezehrt,verdurstet. Nun stürzt er wieder, die Hände fest um den Lenkergekrallt. «Er war schon tot, als wir hinkamen», sagte Tour-ArztPierre Dumas. Anderthalb Stunden kämpft er mit Mund-zu-Mund-Beatmungum Simpson - vergebens.

Noch viele Jahre später wollen viele die Ursache für Simpsons Todnicht wahrhaben, wie der britische Journalist William Fotheringham inder neuen Biografie des Fahrers «Put me back on my bike» (CovadongaVerlag, Bielefeld) berichtet. Der fünfmalige Tour-Sieger JacquesAnquetil und Rafael Geminiani, auch selber Fahrer, behaupteten,Simpson sei einem «normalen» Herzstillstand erlegen.

Dabei hatte Simpson nie ein Hehl daraus gemacht, dass er gedopthat. Die BBC-Dokumentation «The World of Tom Simpson» von 1964 zeigteine Eiweißpräparat auf dem Hotelbett und wie der Fahrer mit demNotizzettel eines Arztes herumfuchtelt. Der Mediziner hat genauaufgelistet, was Simpson täglich bei der Tour nehmen musste -«Vitamin B-Komplex, Leberextrakt, Muskelstärkungsmittel». Hinter«Muskelstärkungsmittel», schreibt Biograph Fotheringham, könnte sichetwas harmloses verbergen, aber auch das Hormonextrakt, das damalsnoch nicht verboten war.

Simpsons Tod entlarvt, was bis dahin noch ein offenes Geheimniswar und seitdem wie ein Phantom die Tour begleitet: Doping gehörteschon immer zu den Geheimnissen der Rundfahrt. Zwölf Jahre vorher warder Franzose Jean Malléjac am Berg zusammengebrochen. Auch Mallejáchatte sich aufgeputscht. Der erste Doping-Fall wurde 1911aktenkundig: Paul Duboc wurde nach dem Genuss einer «zweifelhaftenFlüssigkeit» Opfer einer Vergiftung und gab auf. Seitdem ist dieTour-Liste der Doping-Sünder unaufhaltsam gewachsen.