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Radsport Radsport: Erschreckender Doping-Bericht deckt zehn Jahre Manipulation auf

13.05.2009, 15:03
Der Vorsitzende der Doping-Untersuchungskommission der Uniklinik Freiburg, Hans Joachim Schäfer, stellt am Mittwoch den Abschlussbericht vor. Die Experten kamen nach der Befragung von zahlreichen Zeugen aus dem Bereich des Profi-Radsports zu dem Ergebnis, dass im Team Telekom/T-Mobile unter der Regie der Sportmediziner Dr. Heinrich und Prof. Schmid systematisch gedopt wurde. (FOTO: DPA)
Der Vorsitzende der Doping-Untersuchungskommission der Uniklinik Freiburg, Hans Joachim Schäfer, stellt am Mittwoch den Abschlussbericht vor. Die Experten kamen nach der Befragung von zahlreichen Zeugen aus dem Bereich des Profi-Radsports zu dem Ergebnis, dass im Team Telekom/T-Mobile unter der Regie der Sportmediziner Dr. Heinrich und Prof. Schmid systematisch gedopt wurde. (FOTO: DPA) dpa

Freiburg/dpa. - Nach der Befragung von 77 Zeugen kam die Freiburger Doping-Kommissionzu dem Ergebnis, dass im Magenta-Radrennstall mehr als zehn Jahrelang manipuliert wurde. «Die Untersuchungskommission hat ermittelt,dass im Team Telekom/Team T-Mobile von 1995 bis 2006 durch die beidenÄrzte Dr. Heinrich und Prof. Schmid systematisch gedopt wurde», heißtes in dem 63-seitigen Abschlussbericht. «Das systematische Dopenunter ärztlicher Kontrolle wurde perfektioniert», sagte derKommissionsvorsitzende Hans Joachim Schäfer bei der 88-minütigenVorstellung des Berichts am Mittwoch in Freiburg.

Neben zahlreichen geständigen Dopingsündern wurden Astana-ProfiKlöden und Matthias Kessler, die bislang alle Doping-Vorwürfebestritten haben, namentlich erwähnt und damit schwer belastet. Diedrei Kommissionsmitglieder unter dem Vorsitz des Juristen Schäferkamen zu dem Schluss, dass «neben dem geständigen Fahrer PatrikSinkewitz während der Tour de France 2006 zumindest zwei weitereRadfahrer mit Hilfe der beiden Ärzte Eigenblutdoping betrieben haben:Matthias Kessler und Andreas Klöden.» Die drei Fahrer sollen sich am2. Juli 2006 während der Tour Eigenblut-Transfusionen unterzogenhaben. Sinkewitz' frühere Freundin habe sie im Auto von Straßburgnach Freiburg gefahren - und wieder zurück. Auf die Frage, ob damitein Dopingvergehen Klödens bewiesen sei, antwortete Schäfer: «Ja.»

Klöden hatte im Dezember 2008 in einem ZDF-Interview seineBeteiligung bestritten und gesagt, ein derartiger «Rheinkonvoi» sei«Quatsch. Ich habe da nicht drin gesessen.»

An jenem Tag gab es laut Kommission einen lebensbedrohlichenZwischenfall. Beim Eigenblutdoping von Sinkewitz habe die Transfusionzweimal abgebrochen werden müssen, da Sinkewitz' Blut geklumpt habe.Ohne jegliche weitere ärztliche Überwachung habe Schmid den Hessendennoch zurück zur Tour fahren lassen und habe billigend in Kaufgenommen, «dass der Radrennfahrer dem Risiko schwersterKomplikationen in Form eines septischen Schocks oder einerLungenembolie mit tödlichem Ausgang ausgesetzt wurde».

Laut dem Dokument begann systematisches EPO-Doping in der Magenta-Equipe unter Anleitung der Teamärzte Schmid und Heinrich, derenApprobation gefährdet sein dürfte, im Januar 1995 während einesTrainingslagers auf Mallorca. Schon 1994 seien Glucocorticoide undWachstumshormone im Team Telekom eingesetzt worden. Der Berichtlistet verschiedene Indizien auf, «die in Verbindung mit weiterenErkenntnisquellen der Kommission auf Doping mit EPO-Präparaten oderBlutdoping bis einschließlich 2006 hindeuten».

Belastende Indizien gegen Jan Ullrich haben die Experten indesnicht entdeckt. «Wir haben über Jan Ullrich nichts Neues gefunden.Ich gehe davon aus, dass Jan Ullrich zwar in Freiburg die üblichenUntersuchungen hat machen lassen, aber wenn überhaupt woandersbetreut worden ist», sagte Schäfer. Der Tour-de-France-Sieger von1997 wird verdächtigt, Kunde des mutmaßlichen spanischen DopingarztesEufemiano Fuentes gewesen zu sein. Ullrich bestreitet die Vorwürfe.

Für seinen Bericht hat das Gremium mit Schäfer, BiochemikerWilhelm Schänzer und dem Pharmakologen Ulrich Schwabe insgesamt 77Zeugen, viele aus dem Bereich des Profi-Radsports, befragt. Zudemwurden zahlreiche Quittungen und Kontobewegungen ausgewertet undnachträglich 58 800 Blutproben nachgetestet. «Mühsam war es», sagteSchäfer, der im März 2008 einen Zwischenbericht präsentiert hatte.

Zugleich entlastete die Kommission die Bonner Unternehmen Telekomund T-Mobile. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die früherenHauptsponsoren «in die Aktivitäten der dopingbelasteten Ärzteverwickelt waren». Die Uniklinik habe demnach ebenfalls keineKenntnis von den Dopingvorgängen in ihrem Haus gehabt. Auch dieApotheke der Uniklinik sei «zu keiner Zeit in die Beschaffung vonDopingmitteln durch die beiden Ärzte» involviert gewesen. «Vielmehrkonnte aus Sicht der Kommission eine Apotheke in Elzach als eine derHaupt-Lieferanten ermittelt werden», schreibt die Kommission. Nebenden beiden maßgeblich beschuldigten Medizinern Schmid und Heinrichhätten drei weitere Ärzte ungenehmigte Nebeneinkünfte erhalten,diesen sei aber keine Dopingpraktiken nachgewiesen worden.

Die deutschen Radprofis (l-r) Andreas Klöden, Matthias Kessler und Patrik Sinkewitz vom Team Telekom warten vor dem Start der 11. Etappe der Tour de France (Archivfoto vom 13.07.2006). (FOTO: DPA)
Die deutschen Radprofis (l-r) Andreas Klöden, Matthias Kessler und Patrik Sinkewitz vom Team Telekom warten vor dem Start der 11. Etappe der Tour de France (Archivfoto vom 13.07.2006). (FOTO: DPA)
EPA