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Radsport Doping Radsport Doping: Umstrittene Polizeiaktion erschreckt Turin 2006

Von Bernhard Krieger und Andreas Zellmer 19.05.2005, 15:03

Vicenza/dpa. - Staatsanwälte, Durchsuchungen und Gesetzes-Chaos -die umstrittene Antidoping-Aktion der italienischen Polizei beim Girod'Italia versetzt Olympia 2006 in Turin in Angst und Schrecken. «Ichmache mir für die Spiele in Turin leider große Sorgen», sagte derOlympia-Beauftragte der italienischen Regierung, Mario Pescante. DerStaatssekretär fürchtet, dass die durch internationale Dopingregelnnicht gerechtfertigte Polizeiaktion gegen das Radteam Davitamon desdreifachen Etappengewinners Robbie McEwen nur ein Vorgeschmack auf zuerwartende Razzien bei den Winterspielen sein wird. Am Mittwochbeschlagnahmte die Polizei ein Zelt zur Simulierung vonHöhentrainings-Effekten und - offenbar legale - Medikamente.

Das italienische Anti-Doping-Gesetz ist schärfer als alleinternationalen Dopingregeln und widerspricht teilweise sogar demReglement der Internationalen Antidoping-Agentur (WADA). «Hierherrscht Konfusion», klagte Pescante, der vergeblich versucht, dasscharfe italienische Zivilrecht mit den Dopingregeln derinternationalen Sportverbände in Einklang zu bringen.

Da das Problem nicht gelöst werden kann, versucht es Pescante nuntypisch italienisch mit einer fantasievollen Umgehung des Problems.«Ich versuche zu klären, ob man das Gesetz für die Dauer der Spieleaussetzen oder Turin für die Zeit der Spiele eine Artextraterritorialen Status verleihen kann», sagte Pescante amDonnerstag der «La Gazzetta dello Sport».

Bleibt Italiens Anti-Doping-Gesetz unverändert in Kraft, drohenden Spielen Polizeiaktionen wie am Mittwoch im Teamhotel vonDavitamon-Lotto. Auf Anordnung von Vicenzas Staatsanwalt Paolo Pecoribeschlagnahmten drei Beamte der Gesundheitspolizei (NAS) den von derWADA und dem Internationalen Radsportverband UCI genehmigtenHöhentrainingssimulator «AltiTrainer».

Mit dem Gerät kann man den Sauerstoffgehalt in der Atemluft vonnormal 20 Prozent auf bis zu 10 Prozent reduzieren, was einemTraining auf einer Höhe von 5000 Metern entspricht. Dort produziertder Körper schnell große Mengen an zusätzlichen roten Blutkörperchen,was den Sauerstofftransport in die Muskeln und damit die Leistung desAthleten verbessert.

Für das italienische Anti-Doping-Gesetz 376/2000 ist dies Dopingin Form von «künstlicher Steigerung des Anteils roter Blutkörperchen»und gleichzusetzen mit EPO-Blutdoping. Das Gesetz sieht für denTeamarzt Daniele De Neve im Falle einer Verurteilung Haftstrafen vondrei Monaten bis hin zu drei Jahren vor.

«Ich benutze den AltiTrainer nicht. Einige in meinem Team aberschon», sagte McEwen. Das Chaos ist perfekt. Die Teams sindverunsichert. Was WADA und UCI erlauben, gilt in Italien als Doping.Staatsanwalt Pecori dagegen setzt seine Ermittlung gemäß der gültigenGesetzeslage fort und ließ neben dem Höhensimulator vom Mc Ewen-Rennstall beim Team Saunier-Duval auch noch 200 Zucker-Ampullenbeschlagnahmen.

Laut Teamarzt Lothar Heinrich sind acht T-Mobile-Fahrer im Besitzdieser Spezialzelte, in denen der Sauerstoffgehalt durch Zuführungvon Stickstoff gemindert wird. «Die Fahrer schlafen oder ruhen darin.Das macht aber nur in der Vorbereitung Sinn, im Wettkampf nicht»,meinte Heinrich. Jan Ullrich hat in seinem Haus inScherzingen/Schweiz eine Unterdruckkammer des Berliner SpezialistenVolker Spiegel eingebaut. In ihr trainiert er und erzielt im Prinzipden selben Effekt wie in einem «Alti-Trainer».

Die UCI bekundete am Donnerstag schriftlich ihre Solidarität mitDavitamon und Saunier Duval und sprach sich erneut für «dieHarmonisierung der Anti-Doping-Gesetzgebung» aus. Die UCI kündigteMaßnahmen gegen Verantwortliche der «unangemessenen Polizei-Maßnahmen» an und erklärte, dass eine Wiederholung der Situation von2001 nicht geduldet würde, in der die spektakuläre Razzia während desGiro in San Remo in keiner Relation zu den Ergebnissen der darausfolgenden juristischen Verfahren gestanden hätte.