Partnersuche Partnersuche: Boom der Online-Kontaktbörsen
Herrenberg/Erfurt/dpa. - Online-Kontaktbörsen boomen. Ob Jugendliche, Studenten, Berufstätige oder Senioren - für nahezu jede Gruppe gibt es im Internet die passende Flirtplattform. Hinzu kommen regionale Webseiten und Angebote für spezielle Interessens- oder Berufsgruppen. Das Anbandeln über Chatrooms, Datingseiten oder Online-Partnervermittlungen scheint demnach vielversprechend zu sein, folgt jedoch anderen Regeln als in der realen Welt.
Im Sommer 2002 surfte Uta aus Hamburg (32) zum ersten Mal auf http://www.datingcafe.de. Eine ihrer Freundinnen hatte sich auf diesem Weg verliebt. Uta erstellte ihr Profil und mailte selbst einen Mann an, dessen Eintrag und Bild ihr gut gefielen. Nach ein paar Mails trafen sie sich ein paar Mal. «Er hing aber noch sehr an seiner Ex-Frau», sagt die Soziologie-Studentin. «Viele Männer auf den Seiten waren frisch getrennt.» So auch Utas zweiter Online-Flirt, ein Vater von zwei Kindern, mit dem sie eine kurze Affäre hatte.
Auch Matthias Dürr aus Wetzlar war erst zweieinhalb Monate Single als er auf http://www.friendscout24.de, der nach eigenen Angaben größten Partnerbörse Deutschlands, sein Profil anlegte. «Kurz darauf entdeckte ich Michaela und ließ ihr ein "Match" zukommen, dem zufolge wir gut zusammen passten», sagt Dürr. Als sie antwortete, schrieben sich der Wetzlarer und die Landshuterin ausführlich. Nach drei Tagen tauschten sie ihre Telefonnummern aus und telefonierten täglich.
«Die Hemmschwelle ist durch die Anonymität im Netz niedriger als in der realen Welt», sagt Diplom-Psychologin Michaela Unfried aus Herrenberg (Baden-Württemberg). «Man kommt sich schneller näher.» Der Knackpunkt sei das erste Treffen. Oft folge auf die virtuelle Innigkeit Ernüchterung. «Dann fragt man sich: Wie konnte ich ihm nur solche Geheimnisse anvertrauen?» Generell sei das Medium jedoch ein wunderbares Mittel, um Leute kennen zu lernen.
Dieser Meinung sind auch 31,1 Prozent der Bevölkerung, wie eine Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg für das in München erscheinende Magazin «Focus» im April 2002 ergab. Damit steht das Medium als Balzplatz nach Privatparty (60,6 Prozent) und Arbeitsplatz (52,0 Prozent) an dritter Stelle vor Discos, Kneipen und Gaststätten (30,9 Prozent). 14,4 Prozent der Befragten hatten bereits einen Lebensgefährten über das Internet kennen gelernt.
Als wichtigste Gründe für den virtuellen Flirt wurden in der Studie die regionale Ungebundenheit genannt, eine niedrigere Hemmschwelle, die Möglichkeit anonym zu bleiben, zeitliche Flexibilität und dass man sich schneller kennen lernt als in der realen Welt. «Man kann auch wichtige Punkte vorher abchecken», sagt Erika aus Bruchköbel (Hessen). Die 35-jährige Betriebswirtin knüpft seit ein paar Jahren auf verschiedenen Seiten immer wieder Kontakte.
«Jeder Anbieter hat seine Vor- und Nachteile», sagt Erika. Bei http://www.liebe.de habe sie am meisten Männer kennen gelernt. Positiv daran sei, dass man sein Profil immer wieder aktualisieren könne. Das ginge auch bei http://www.kontaktanzeigen.de. «Dort hat man am meisten Selektionsmöglichkeiten und auch Fotos.» «Webliebe.de» (http://www.webliebe.de) finde sie auch ganz gut, weil man einen Text frei formulieren könne. Dafür stehe der Text ohne Foto auf der Seite.
Darüber hinaus gibt es hunderte von Chatrooms, Flirtseiten und Online-Partnervermittlungen, die teils gratis, teils kostenpflichtig sind. Spezielle Angebote locken Jugendliche, Senioren, Landwirte, Homosexuelle oder Menschen mit besonderen sexuellen Vorlieben. «Im Netz findet man Leute aus allen Altersklassen und gesellschaftlichen Schichten - wie im richtigen Leben auch», sagt Erika. «Viele schreiben, ob sie eine Affäre wollen oder eine Beziehung.» Männer, die sich verstellten, erkenne sie in der Regel schnell.
«Beim Chatten muss man damit rechnen, dass jemand anders ist als er sich online gibt», sagt Joachim Höflich, Professor für Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt. Chatten, um zu flirten, würden vor allem Jugendliche unter 20 Jahren. «Aber auch sonst werden im Netz negative Dinge gerne verschwiegen», so Höflich. «Wer jedoch ernste Absichten hat, lügt nicht explizit.»
Dass sich im Internet «nur die pickligen Schüchternen» nach einem Partner umsehen, sei ein Mythos, so der Wissenschaftler. Dem kann Nicole Schiller, Diplom-Psychologin bei der Online-Partnervermittlung Parship (http://www.parship.de) in Hamburg, nur zustimmen. Ihre Klientel sei im Durchschnitt «Mitte vierzig», viele gut verdienende Akademiker seien darunter, die meisten bindungswillig und realistisch in Bezug auf die Partnersuche.
Parship ist eine der kostenpflichtigen Matching-Agenturen, die erst in den vergangenen Jahren entstanden sind. «Neueinsteiger zahlen 149 Euro und machen online einen ausführlichen Persönlichkeitstest», erklärt Nicole Schiller. Dafür bekämen sie ein Gutachten und sechs Monate lang Partnervorschläge, die eine hohe Übereinstimmung mit ihrem Profil aufweisen. «Es geht darum, zu große Gegensätze zu vermeiden», sagt die Psychologin. «Viel Glück gehört aber auch dazu.»
Erfolgsstorys gibt es dennoch genügend: Matthias Dürr etwa besuchte Michaela am Wochenende nach ihrem ersten Telefonat. Kurz danach zog sie zu ihm, sie heirateten und haben heute einen 13 Monate alten Sohn. Auch Uta hat mit ihrem dritten Online-Flirt einen Volltreffer gelandet. «Es passt einfach alles», sagt sie glücklich. «Sonst würden wir nicht schon jetzt zusammen ziehen. Schließlich kennen wir uns erst seit zwei Monaten.»