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Paralympics Paralympics: Unbeschwert und mit Kribbeln im Bauch

Von Annekatrin Köhler 13.09.2004, 18:33

Magdeburg/MZ. - Selbstbewusst sitzt der große, junge Mann mit der breiten muskulösen Schulter auf dem Startblock und lächelt freundlich in die Kamera. Interviews mit Journalisten, Foto-Termine und Filmaufnahmen für das Fernsehen sind für Christopher Küken jetzt vor den Paralympics fast schon Routine. Der 20-Jährige vom VSB Magdeburg (Verein für Schwimmtherapie und Behindertensport) steht in der Weltrangliste ganz oben und gilt als große Medaillenhoffnung der deutschen Schwimmer über 400 Meter Freistil.

Küken will in Athen seinen schärfsten Konkurrenten, Xiaofu Wang aus China, besiegen. Schwimmen, essen, schlafen. So sah vor dem Abflug nach Athen Kükens Tagesplan aus. Ein Trainingslager im Erzgebirge gab es. Freundin Christina musste viel Geduld haben. Gemeinsam mit 22 anderen deutschen Schwimmern holte sich der Magdeburger den Feinschliff für die olympischen Wettbewerbe.

Das Tagespensum war umfangreich. Bereits vor dem Frühstück ging es das erste Mal ins Wasser. Vor allem Ausdauer wurde während der Intensiv-Vorbereitung trainiert. Bis zu vier Mal am Tag zog Christopher Küken seine Bahnen und legte dabei jedes Mal bis zu sechs Kilometer zurück. Zwischendurch wurde immer wieder an Kraft und Schnelligkeit gearbeitet. "Das hat schon geschlaucht, aber ich denke, wir sind jetzt sehr gut vorbereitet", sagt Küken. In den Pausen schlief er dann am liebsten oder hat riesige Portionen Nudeln und Schokolade gegessen.

Mindestens um acht Sekunden will er seinen eigenen Rekord über 400 Meter Freistil in Athen verbessern. Bisher steht die Bestmarke bei 4:46 Minuten. Dass Christopher Küken eine Behinderung in beiden Beinen hat, sieht man dem Sportler auf dem ersten Blick nicht an. Erst wenn er läuft, wird seine Bewegungsstörung sichtbar. Cerebralparetik heißt die Fachbezeichnung für die Verkürzung der Sehnen und Muskeln in den Beinen und der damit verbundenen leichten Spastik.

Beim Schwimmen nutzt er nur die Kraft seines Oberkörpers. Die Beine zieht er hinterher. "Dadurch habe ich im Sprint Nachteile und konzentrierte mich deshalb auf die 400 Meter", erklärt Küken. Seit seiner Geburt lebt der 20-Jährige mit seiner Behinderung und erweckt dabei den Eindruck, als mache es ihm wenig aus. Unbeschwert und fröhlich erzählt er von seiner Freundin, den häufigen Discobesuchen und Ausflügen mit Freunden und vom Sport. Sechs Mal in der Woche trainiert der Magdeburger zu normalen Zeiten, sowohl im Kraftraum als auch im Wasser. "Ein Leben ohne Sport könnte ich mir nicht vorstellen", meint Christopher Küken. Seit seinem siebten Lebensjahr ist er aktiv und hat sich vom Hobby-Schwimmer zu einem der Weltbesten in seiner Klasse hochgearbeitet. Den nötigen Antrieb gibt Trainer Hans Joachim Müller vom VSB Magdeburg. Seit 13 Jahren trainiert er den ehrgeizigen Schwimmer, der schon 156 Medaillen gewonnen hat.

Das Erfolgsrezept von Christopher Küken liegt wohl in der Unbeschwertheit, mit der er zu Olympia fährt. "Ich gehe da ganz locker ran und mache noch bis zur letzten Minute meine Späße am Beckenrand. Aber dann konzentriere ich mich voll auf den Wettkampf", meint der Magdeburger. Ganz kalt lässt den Leistungsschwimmer die Teilnahme am größten Sportereignis der Welt für Behinderte jedoch nicht: "Den Einmarsch in das Olympiastadion stelle ich mir einfach gigantisch vor", meint Christopher Küken. "Da werden sicher Emotionen frei und auch mal Tränen fließen."

Auch darauf ist der einzige Sachsen-Anhalter in der deutschen Schwimmermannschaft vorbereitet. Seine Eindrücke will er mit Mutter Sabine Küken und ihrem Lebensgefährten Karl-Heinz Wehner teilen. Auch sie reisen nach Athen, um ganz nah dabei zu sein. Freunde, Verwandte und Lehrer drücken zu Hause die Daumen. Küken, der später mit einem Studium in Richtung Psychologie oder Biologie liebäugelt, steht sportlich erst am Anfang. Athen 2004, WM 2006 in Südafrika, Olympia in Peking 2008. Küken hat klare Ziele. Und Medaillenträume.