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Otto Waalkes im Interview Otto Waalkes im Interview: Über Harmoniesucht Frauengeschichten und Ostfriesentee

15.07.2018, 16:00
Otto Waalkes in seinem hauseigenen Atelier. Ottifanten schmuggelt er gern auf seine Bilder.
Otto Waalkes in seinem hauseigenen Atelier. Ottifanten schmuggelt er gern auf seine Bilder. Daniela Grundwald

Seine Sketche und Figuren gehören längst zum kollektiven Gedächtnis. Ob als Reporter Harry Hirsch, Susi Sorglos oder mit seinen Ottifanten-Zeichnungen - fast jeder kennt einen Spruch oder Sketch von Otto Waalkes. Anlässlich seines 70. Geburtstages am 22. Juli ist seine Biographie „Kleinhirn an alle - Die große Ottobiographie“ erschienen. Daniela Grundwald sprach mit dem Kult-Komiker.

Sie waren im Winter in Florida, was machen

Sie dort?

Otto Waalkes: Ich bin dort immer um die Zeit. Da kennt mich niemand, und ich kann mich schön zurückziehen. Ich bleibe immer nur ein paar Wochen. Ich bin lieber hier. Mein Publikum ist ja auch hier und ich brauche diesen Kontakt. Und mir gefällt auch die Regierung hier zur Zeit besser.

Sie malen gerade sehr viel ...

Ja, ich habe ein kleines Atelier in meinem Haus und dort tobe ich mich aus. Meistens vormittags, gleich nach dem Aufstehen oder nach dem Sport. Wann immer mich gerade die Muse küsst. Ich male meine Bilder gern auf einer Teegrundierung. Dazu tränke ich die Leinwände in einer Badewanne mit Tee -natürlich Ostfriesentee! Beim Malen bin ich sogar gern allein - das heißt, ich unterhalte mich mit den Bildern: „Noch ein bisschen Zinnoberrot? ... Bitteschön!“

Ottifanten haben Sie ja immer schon gemalt ...

Ja, als Zeichner habe ich mit Ottifanten angefangen. Jetzt versuche ich, sie in klassische Gemälde oder andere berühmte Vorlagen zu schmuggeln. Immer

im Stil der jeweiligen Altmeister und immer mit einer gewissen Leichtigkeit. Offenbar gelingt mir das auch ganz gut. Die Bilder finden reißenden Absatz.

Sind Sie immer zufrieden mit den Bildern?

Nein, das wäre ja langweilig. Jedes Bild ist ein kleines Experiment für mich. Ich fange ja gerade erst an mit dieser intensiven Malerei. Die Bilder sehen zwar fertig aus, aber wenn ich sie mir intensiver anschaue, finde ich immer etwas, was ich noch besser hätte machen können. Ich bin eigentlich nie ganz zufrieden. Wenn ich durch Museen gehe, dann gibt’s tausend Maler, die besser sind.

Wie halten Sie sich fit?

Ich mache viel Sport, fast jeden Tag, renne herum, zappele viel. Ich fahre Rollerblades, Fahrrad, spiele Tennis. Ich bin als Kind schon mit Schlittschuhen zur Schule gelaufen, weil ich ja an den Kanälen in Ostfriesland groß geworden bin, und damals war im Winter alles zugefroren. Aber der Klimawandel, der ja nicht existiert, hat das ein bisschen verändert.

Sind Sie ein Hypochonder?

Ja, das bin ich in jedem Fall. Sobald ich irgendwo ein Wehwehchen habe, denke ich: Jetzt ist es soweit, jetzt heißt es Abschied zu nehmen. In meinem Alter interpretiert man alles, was neu erscheint, gleich als Schlussakkord.

In Ihrem Buch kommt ja auch Ihr Bruder Karl-Heinz vor. Ist er genauso lustig wie Sie?

Ja, er ist versteckt lustig. Mein Bruder bedeutet mir sehr viel. Er hat früher immer auf mich aufgepasst. Ich hab ihn stets bewundert. Er durfte damals schon in die nicht jugendfreien Filme, hat mir dann immer alles detailliert erzählt. Darauf war ich sehr stolz. Andererseits war er gutbürgerlich, wurde Bauingenieur, wohnt heute immer noch in Emden. Ich dagegen war immer schon der kleine Herumtreiber, der mit der Gitarre durch die Straßen zog.

Wie war Ihre Kindheit?

Glücklich, es war eine heile Welt. Unsere Eltern haben stets das Böse von uns ferngehalten, deswegen bin ich auch so konfliktscheu. Als meine erste Ehe zu Bruch ging, bin ich fast daran zerbrochen. Unsere Eltern sind dafür mitverantwortlich, durch ihre große, große Liebe. Ich bin sehr harmoniesüchtig.

Haben Sie als Kind schon das Ziel gehabt,

berühmt zu werden?

Nein, aber ich habe früh angefangen, Musik zu machen. Ich bin schon im Kindergarten aufgetreten, mit sechs hatte ich meine erste Gitarre. Ich habe oft irgendetwas als Mikrofon genommen und mir vorgestellt, vor großem Publikum zu singen: Tagträume. Aber dass die mal real würden, daran habe ich nie geglaubt. Das hat sich einfach so ergeben als ich fürs Kunststudium nach Hamburg kam und in kleinen Clubs aufgetreten bin, für 20 Minuten gab´s 5 Mark.

Und dann kam Ihr Manager Hans Otto

Mertens ...

Ja, der hat mich entdeckt und auf mich aufgepasst. Ich hab´ früher alles unterschrieben, und er musste mich erst mal wieder freikaufen. Als die Plattenfirmen zunächst nicht interessiert waren, haben wir alles selbst produziert, Hans-Otto hat sogar noch Plakate geklebt. Dann kam irgendwann das Fernsehen und die Popularität wurde immer größer. Ohne Hans-Otto wäre ich nie so erfolgreich geworden. Er ist seit 45 Jahren einer meiner engsten Freunde.

Sie haben einen sehr kleinen Freundeskreis ...

Ja, es kristallisieren sich in meinem Beruf immer weniger Freunde heraus, eine Hand voll Menschen, denen ich vertraue, mit denen ich gern zusammen bin und Erlebnisse teile, Höhe- und Tiefpunkte. Es ist wichtig, dass man Freunde hat.

Und Ihre haben Sie teilweise seit mehr als

40 Jahren ...

Ja, das ist friesisch. Friesen sind beständig. Deswegen hab ich auch gedacht, meine erste Ehe würde ewig halten.

Haben Sie noch guten Kontakt zu Ihren

Ex-Frauen?

Ja, ich hab zwei mal Pech gehabt, die erste ist mir weggelaufen, die zweite ist nicht geblieben. Mit meinen Ex-Frauen bin ich aber noch befreundet, ich hoffe, sie auch mit mir. Mit Manou, der Mutter meines Sohnes, versteh ich mich natürlich sehr gut. Sie wohnt in Hamburg im Haus direkt neben mir. Und Eva ist in LA, produziert Filme und schreibt Drehbücher, wir schreiben uns ab und zu.

Gibt es eine neue Frau in Ihrem Leben?

Noch nicht. Ich hab doch gerade erst die zweite Ehe hinter mir. Nichts überstürzen jetzt. Aber irgendwann, spätestens wenn ich 105 bin, hoffe ich, die passende zu finden. Falls es dann noch gleichaltrige Frauen gibt. Ob die mich erträgt, ist eine andere Frage. Ich bin ja immer so hektisch und viel unterwegs.

Sind Sie nicht einfach?

Das kann ich nicht beurteilen, ich halte mich für sehr einfach. Anlehnungsbedürftig, obrigkeitshörig, harmoniesüchtig.

Aber Sie verabreden sich mit Frauen?

Ich bin stets offen für eine neue Beziehung. Das macht die Entscheidung nicht einfacher. Eigentlich habe ich zu wenig Erfahrung. Zwei Ehen sind noch zu wenig, merke ich gerade. Aber wenn die Richtige kommt, halt ich´s wie die Pfadfinder: allzeit bereit. Heiraten ist vielleicht altmodisch - wie die Pfadfinderei - nicht mehr zeitgemäß, aber ich steh’ drauf.

Wie war es, eine Biografie zu schreiben und das Leben noch mal Revue passieren zu lassen?

Man verfällt in tiefe Melancholie, weil es Erinnerungen hervorruft, die zunächst traurig machen. So viel Schönes ist passiert und schon wieder vorbei. Man vermisst die Eltern und da wird man nostalgisch, aber auch fröhlich, weil alles so schön gewesen ist.

Gibt es etwas, was Sie bereuen im Leben?

Ja, ich hätte Ingrid Steeger anrufen sollen. Als sie mir vor vielen, vielen Jahren ihre Telefonnummer nachts in Berlin unter der Hotelzimmertür durchgeschoben hat. Da hab ich nicht drauf reagiert, ich Idiot. Das streitet sie heute vielleicht ab, aber das bereue ich ehrlich. Ich hätte so gern mit ihr über Komik diskutiert.

Was waren die schönsten Momente in Ihrem

Leben?

Ach, es gibt so Momente, da sitzt du am Tisch, mit einem Glas Wein und netten Leuten, einer daneben grillt noch etwas - und das reicht mir schon. Da denke ich: „Wow, was für ein schöner Moment!“ Oder wenn ich ein Bild fertig habe und jemand lobt es. Bestätigung ist unheimlich schön. Für mich ist jeder Tag wichtig, deswegen gibt es für mich auch eine verkürzte Zukunftsperspektive. Ich lebe von einem Tag in den anderen, genieße jeden einzelnen.

Was waren die traurigsten Momente?

Der Tod meiner Eltern. Und auch als meine erste Frau mich verlassen hat, mit unserem Sohn. Verlassenwerden war ungewohnt für mich. Der beliebte Otto, aber seine eigene Frau mag ihn nicht mehr, weil sie sich in einen anderen verliebt hat. Der Gedanke war mir vollkommen fremd. Viel später wurde mir klar, dass ich selbst schuld war, weil ich sie zu viel allein gelassen hatte.

Gehen Sie öfter noch zum Grab Ihrer Eltern?

Nein, das ist schwierig für mich. Wenn Schulkinder vorbeikommen und mich dort sehen, muss ich am Ende noch am Grab meines Vaters den Otto-Gang machen.

Wie erklären Sie sich, dass Jung und Alt Sie gleichermaßen mögen?

Vielleicht, weil ich selbst nie erwachsen geworden bin. Weil da ein kindlicher Geist noch in mir und meiner Komik steckt. Das mögen Ältere, weil sie sich überlegen fühlen, und Jüngere erkennen sich darin wieder. Deswegen wirkt das zeitlos.

Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?

Darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht. Vielleicht ist es das. Ich hab einfach immer das gemacht, was mir Spaß macht.

Brauchen Sie Aufmerksamkeit?

Nicht immer. Wenn ich male, muss ich für mich allein sein, auch wenn ich Gitarre übe. Aber Publikum brauche ich. Danach bin ich süchtig.

Viele fragen sich, ob Otto privat auch immer so lustig ist ...

Nein, ich versuche oft, ernst zu sein, werde aber nicht ernst genommen. Daraus habe ich das Beste gemacht. Und das scheint irgendwie geklappt zu haben: Die Leute auf der Straße strahlen mich an, wenn sie mich sehen. Ich stelle mir das schrecklich vor, wenn die Leute mich nicht mehr mögen würden. Das würde mir wehtun.