Österreich Österreich: Kick auf dem Eisenweg
Ramsau/MZ. - Ramsau am Dachstein. Diesmal sollte alles anders werden. Bloß nicht wieder dieses Gejammere der Kinder über die langweiligen Berge, dieses nervige Nörgeln bei jedem Schritt und Tritt. Action ist gefragt. Da kommt dieser Schrei wie eine Erlösung. "Yeeeeahhh" schallt es vom Sattelberg hinunter in Richtung Alte Mühle und die Felsenwände der gegenüberliegenen Kampspitze werfen Tinos Jubel als Echo ins Tal.
Die Fahrt mit dem Flying Fox hat bei dem Zehnjährigen für einen Adrenalin-Schub gesorgt. Dabei war die 20-Meter-Seilrutsche, an der Bergführer Walter Walcher die Kinder - sicher am Klettergurt verankert - über die Schlucht sausen lässt, nur das Finale einer überaus spannenden Tour. Als Klettersteig-Dorado hat sich Ramsau am Dachstein einen Namen gemacht, jetzt bietet der steirische Ort auf dem Hochplateau über Schladming - alpenweit einmalig - erstmals eigene "Eisenwege" für Kinder und Jugendliche an.
Ein ganzer Berg ist in Ramsau am Dachstein nur für die Mädchen und Jungen reserviert. Da warten im Zwergerl-Bauernhof viele bunte Tiere aus Holz, die "Ramsauer Wasserwelt" zeigt, wie eine Säge, eine Schmiede oder ein E-Werk funktionieren, und der Natur-Erlebnispfad macht die Bergwelt spielerisch begreifbar. Und dann gibt es am Sattelberg die neuen Klettersteige. Während "Kali" leicht angelegt ist und Kindern ab sieben Jahren den Einstieg in der Welt der Vertikalen ermöglichen soll, fordert "Kala" von den etwas Älteren schon mehr Mumm.
"Für die meisten ist es der erste Versuch in einem Klettersteig", erzählt Walter Walcher, während er Angelika (9) den Gurt anlegt und den Umgang mit dem Klettersteig-Set erklärt. "Einer der beiden Karabiner muss immer an dem Drahtseil am Fels eingeklinkt sein, dann kann dir nichts passieren", sagt der Bergführer und seine beruhigende Stimme sorgt bei den Kindern zusätzlich für Mut. Doch Sicherheit geht vor. Deshalb wird die kleine Vierer-Gruppe noch in Walchers 60-Meter-Seil eingeknotet. "Und da sollen wir hinauf?" Florian wirft den Kopf in den Nacken, kneift die Augen zusammen und lässt den Blick unter dem feuerroten Kletterhelm hervor skeptisch nach oben wandern. "Keine Sorge, ihr schafft das", sagt Walcher und los geht es.
Behutam setzen die Kinder den Fuß auf den ersten stählernen Trittbügel, beim dritten findet die Hand festen Griff. Die ersten Höhenmeter bewegt sich der kleine Trupp noch recht zögerlich in der Senkrechten, dann macht sich zusehends Routine breit. Klack, klack. Immer schön hintereinander werden die Karabiner an den Ankern des Sicherungsseils umgehängt. "Rund 95 Prozent aller Kinder sind von dieser Erfahrung begeistert", weiß Walter Walcher. "Ein Klettersteig ist für sie eine Riesen-Selbstbestätigung".
Eine solche finden rund um den Dachstein aber auch versierte Bergurlauber. In den letzten Jahren wurden in dem Luftkurort nicht nur die bestehenden Klettersteige komplett saniert, sondern auch neue erschlossen. Mit dem Anna-Klettersteig, der im Juni eröffnet wird, wollen hier heute 15 dieser "Eisenwege" erobert werden.
Dieser Einstieg hat es in sich. Zwei daumendicke Stahltrossen bilden den "Boden", zwei weitere den Handlauf. Zehn Meter tiefer gurgelt der Silberkarbach bedrohlich über rund geschliffene Felsen. Jenseits der Seilbrücke geht es nicht weniger luftig weiter. Schon nach wenigen Metern erreicht der Hias-Klettersteig eine überhängende Passage. "Wir haben den Anfang bewusst so schwierig gestaltet", sagt Walter Walcher. "Wenn ein Klettersteig am Einstieg eher abschreckt, halten sich unerfahrene Wanderer zurück."
Was in Talnähe gilt, gilt im hochalpinen Gelände gleich doppelt. Zwei Klettersteige führen auf den knapp 3 000 Meter hohen Dachsteingipfel, bei beiden müssen die ersten Meter ohne Stahlbügel erklettert werden. Und während wenige hundert Meter weiter unten die letzten Skifahrer den Winter auf dem östlichsten Gletscher der Alpen auslaufen lassen, kämpfen die Gipfelstürmer am Schulteranstieg und am Randkluftsteig gegen eisige Kälte und schneeverwehte Felsen. Und gegen die Ungeduld.
Denn allein ist man auf den beiden Gipfelklettersteigen schließlich nie. So mancher Drängler scheint hier den Wettlauf mit der Zeit mehr im Auge zu haben als das gipfelbestückte Panorama: Gipfelsturm im Wortsinne. Mitterspitz und Torstein sind zum Greifen nah, dahinter die unverwechselbare Bischofsmütze, im Dunst der Ferne zieht der Großglockner die Blicke magnetisch an. Das Kräfte-tanken unter dem mächtigen Gipfelkreuz, das Wind und Schnee in einen bizarr-weißen Rahmen gepresst haben, tut gut. Zurück geht es vom Gipfel schließlich auf dem gleichen Weg. Die Kinder am "Kali" haben es da leichter. Sie düsen mit dem Flying Fox nach unten - und vergessen jede Langeweile.
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