Oracle führt mit Sun-Übernahme Einkaufstour fort
Redwood Shores/dpa. - Für den Datenbank-Spezialisten Oracle sind die jüngsten Pläne zur Übernahme des Server-Herstellers Sun Microsystems ein weiterer Meilenstein einer beispiellosen Einkaufstour.
In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen von Larry Ellison über 30 Milliarden Dollar für Übernahmen ausgegeben und sich damit zu einem der weltweit größten Anbieter von Datenbank- und Unternehmens-Software entwickelt. Während sich der SAP-Konkurrent durch den Kauf im Markt weiter stärken dürfte, erwarten Beobachter, dass ein Zusammengehen zahlreiche Entlassungen zur Folge haben wird.
Am Montag hatten Oracle und Sun ihre Pläne bekanntgegeben und damit für eine unerwartete Wendung in den Übernahme-Bemühungen von Sun gesorgt. Zuletzt hatte Sun konkrete Verhandlungen mit IBM geführt, die Gespräche waren allerdings vor rund zwei Wochen abgebrochen worden. Oracle will insgesamt 7,4 Milliarden Dollar inklusive Schulden für den Server-Hersteller ausgeben. Die Gespräche mit IBM waren zuletzt unter anderem geplatzt, weil Sun der Kaufpreis von knapp 7 Milliarden Dollar zu niedrig war.
Oracle wird bei einer Übernahme mit Suns Server-Geschäft erstmals auch zum Hardware-Anbieter. Damit könne Oracle künftig als einziges Unternehmen seinen Kunden komplette Systeme aus Hardware und Software anbieten, sagte Ellison nach der Bekanntgabe der Pläne. «Die Übernahme von Sun verwandelt die gesamte IT-Branche.» Server, die unter anderem für die Kommunikation und Datenveraltung in Unternehmen als auch für den Betrieb von Websites eingesetzt werden, machten bei Sun zuletzt rund die Hälfte des Umsatzes aus. Analysten gehen jedoch davon aus, das Oracle vor allem hier den Rotstift ansetzen wird.
Oracle werde das Hardware-Geschäft von Sun einer genauen Prüfung unterziehen und das beste daraus ziehen, sagte Andy Miedler, Analyst bei Edward Jones & Cio. in St. Louis, der Nachrichtenagentur Bloomberg. In der Branche war dieses Geschäft zuletzt weiter unter Druck geraten, da sich die Kunden angesichts der weltweiten Wirtschaftskrise und schrumpfender Budgets bei Neuanschaffungen deutlich zurückgehalten hatten. Analysten und Marktbeobachter erwarten deshalb, das bei einer erfolgreichen Übernahme vor allem im Hardware-Bereich bis zu 5000 Jobs gestrichen werden könnten.
Oracle dürfte bei Sun vor allem an der Softwareplattform und Programmiersprache Java und Suns offenem Betriebssystem Solaris interessiert sein, das das Unternehmen bereits seit einiger Zeit für seine Produkte nutzt. Java wird weltweit in Hunderten Millionen Geräten eingesetzt und findet sich in Handys ebenso wie in Heim- oder Großrechnern. Auch das schnell wachsende Geschäft mit «Oracle Fusion Middleware» basiere vollständig auf der Programmierplattform, sagte Ellison. «Java ist die wichtigste Software, die Oracle je übernommen hat.»
Mit Suns Betriebssystem Solaris, das für den Einsatz auf Servern und Großrechnern konzipiert ist, könnte Oracle seinen Kunden zudem einen optimierten Zugriff auf seine Datenbank-Software ermöglichen und die Anwendungen aus einer Hand anbieten. Bereits vor mehr als zehn Jahren hatte Oracle dafür unter dem Namen «Raw Iron» (übersetzt etwa: rohes Eisen) ein Projekt gestartet, das seine Produkte unabhängig von anderen Betriebssystemen wie Microsofts Windows oder verschiedenen Unix- Systemen machen sollte.
In den vergangenen Jahren war der leidenschaftliche Segler Larry Ellison mit seinem Unternehmen immer wieder auf teils spektakuläre Einkaufstour gegangen und hat sich mit Übernahmen etwa von PeopleSoft und Siebel inzwischen auf den zweiten Platz in der Branche hochgearbeitet. Eine Zeit lang gab es sogar Gerüchte über eine mögliche Übernahme des Erzrivalen SAP, die allerdings von dem weltweiten Marktführer aus Walldorf stets heftig dementiert wurden. Die feindliche Übernahme von PeopleSoft drückte Ellison vor viereinhalb Jahren gegen den Willen der PeopleSoft-Spitze durch und schreckte auch nicht vor einer öffentlichen Schlammschlacht mit dem ehemaligen PeopleSoft-Chef Craig Conway zurück.
Von dem nun anstehenden Kauf von Sun Microsystems erhofft sich das Unternehmen einen guten Schub nach vorn. Von der Übernahme erwarte man sich einen höheren Gewinnzuwachs als mit den Übernahmen von Siebel, PeopleSoft und BEA Systems zusammen, sagte Oracle-Präsident Safra Catz.
Der einstige Übernahme-Interessent IBM reagierte am Dienstag gelassen. Doch Analysten gehen davon aus, dass der IT-Spezialist möglicherweise zu hoch gepokert hat. Mit Suns Unternehmens-Software MySQL etwa dringt Oracle in einen lukrativen Markt ein, in dem das Unternehmen IBM direkt Konkurrenz macht.