O.J. Simpson droht lebenslänglich
San Francisco/dpa. - Es gibt keine Mordopfer, keinen blutigen Handschuh, keine dramatische Autoverfolgungsjagd, wie sie sich O.J. Simpson in seinem weißen Ford Bronco mit der Polizei im Juni 1994 vor seiner Festnahme in Los Angeles lieferte.
Doch der frühere Football- Star der nach einem «Jahrhundertprozess» vom Doppelmord an seiner früheren Frau Nicole Brown Simpson und deren Freund Ronald Goldman überraschend freigesprochen worden war, könnte nun das «Lebenslänglich» erhalten, dass damals alle Welt erwartet hatte.
Die Staatsanwaltschaft in Las Vegas (US-Staat Nevada) hat am Dienstag schwere Vorwürfe gegen Simpson und drei Komplizen erhoben, von Raub mit Anwendung von Waffengewalt über Körperverletzung bis Entführung und Verschwörung. Rechtsexperten zufolge droht Simpson im Falle einer Verurteilung in allen Tatbeständen eine lebenslange Haftstrafe.
«Die Staatsanwaltschaft und Polizei in diesem Land wollen sich O. J. Simpson schnappen, die Öffentlichkeit will ihn kriegen», sagte der auf Sport und Unterhaltung spezialisierte Anwalt Jerry Reisman der Zeitung «New York Daily News». «Ich weiß nicht, wie man eine Jury finden könnte, die sich nicht an den Simpson-Prozess erinnert», pflichtete die Juristin Mudita Chawla bei. Umfragen von damals und heute zeigen, dass für fast alle Amerikaner feststeht, wer 1994 der Täter war: O.J., the «Juice» (Saft), einst strahlender Sportheld und Schauspieler («Die nackte Kanone»).
Von Angst keine Spur, als Simpson vor seiner Festnahme am Sonntag mit Journalisten seelenruhig über den neuen Fall plauderte. Er wollte nur sein rechtmäßiges Eigentum zurückholen, beschwichtigte der 60- Jährige. Er, O.J. Simpson, sei doch nicht so dumm, jemanden zu berauben und zu glauben, dass er ungeschoren davonkommen würde. Geradezu entspannt wirke der frühere Sportheld, eben weil er durch den Freispruch gelernt habe, ungestraft davon zu kommen, kommentierte die «Los Angeles Times».
Doch eine Tonbandaufzeichnung, auf der Simpson ausfällig wird, flucht und droht, könnte dem Afroamerikaner zum Verhängnis werden. Der Internetdienst «tmz.com» entlarvte Simpson in dem Mitschnitt als wütenden Wortführer. Er sei am vorigen Donnerstag mit Komplizen in ein Hotelzimmer in Las Vegas eingedrungen und habe zwei Sammler von Fan-Artikeln mit vorgehaltener Waffe zur Herausgabe angeblich gestohlener Erinnerungsstücke gezwungen, so sieht es die Polizei.
Nach außen gibt sich Simpson gerne cool. Von der Aufregung um sein Buch «If I Did It» (auf Deutsch: «Wenn ich es getan hätte») sei er «ziemlich unberührt», versicherte Simpsons Anwalt Yale Galanter vor einem Jahr, als die fiktive «Mordbeichte» einen Proteststurm auslöste. Simpson spekulierte in dem Buch, wie er Nicole und deren Freund Ron Goldman umgebracht hätte, wenn er denn der Mörder gewesen wäre. Der Buchhandel ging auf die Barrikaden. Viele Geschäfte entschieden sich, den Titel nicht anzubieten. Auf Grund des Protests ließ der Verlag alle gedruckten Exemplare einstampfen.
Immer wieder erinnern die Hinterbliebenen von Nicole Brown Simpson und Ronald Goldman daran, dass Simpson ihnen noch Millionen schuldet. Er hatte 1997 einen Zivilprozess verloren und war zur Zahlung von über 33 Millionen Dollar an die Angehörigen verurteilt worden, hat bisher aber kaum einen Cent bezahlt. Simpson lebt in Florida und vergnügt sich beim Golf spielen. Als einstiger Profisportler bezieht er eine monatliche Rente, die ihm keiner abnehmen kann. Auch seine Häuser sind vor dem Zugriff geschützt. Seine Villa hat Simpson nun aber gegen eine Zelle in Las Vegas von zwei Mal vier Metern eintauschen müssen. Darin steht eine Liege, ein Klo, ein Waschbecken und ein kleiner Schreibtisch, zählt «tmz.com» bissig auf.