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Nostalgie aus Bits und Bytes Nostalgie aus Bits und Bytes: Im Internet lebt der C64 wieder auf

Von Tobias Schormann 21.08.2003, 11:10
Elektronische Klänge für Nostalgiker: Unter http://www.C64audio.com können Commodore-Fans die passende Musik herunterladen. (Foto: dpa)
Elektronische Klänge für Nostalgiker: Unter http://www.C64audio.com können Commodore-Fans die passende Musik herunterladen. (Foto: dpa) C64audio.com

Neunkirchen/Paderborn/dpa. - «Load "*",8,1» - wenn Volker Malter aus Neunkirchen an der Saar diese alte Basic-Befehlszeile sieht, gerät er ins Schwärmen. Sie gehört zu einem Rechner, der für Fans alter Computer zum Kultobjekt geworden ist: zum C64. Zwar ist die «Brotkiste», wie Kenner den schmutziggelben Kasten liebevoll nennen, seit zehn Jahren offiziell vom Markt verschwunden - doch im Internet erlebt der Steinzeit-PC derzeit sein Comeback.

Auf zahlreichen Webseiten tauschen Anhänger die alten Spiele wie «Pacman» oder «Pong» und bieten kostenlose Emulationsprogramme, die neben dem PC auch das Handy, den PDA oder die Spielekonsole in den Retro-Rechner verwandeln. Selbst die simple Begleitmusik der früheren Spiele wird heute gefeiert: Eingeschworene Fans präsentieren im Netz neu aufgelegte C64-Songs und tanzen auf C64-Motto-Partys zu piepsender Chip-Musik.

«Der C64 verkörpert das Lebensgefühl einer ganzen Generation - er war die erste Liebe für Computerfans der Achtziger», sagt Michael Mikolajczak, Kurator des Heinz Nixdorf MuseumsForums in Paderborn. Bis heute sei der C64 der meistverkaufte Computer der Welt: Schätzungsweise 22 Millionen Geräte gingen bis 1993 über die Ladentheke. Sein Erscheinen 1982 bedeutete den Durchbruch für den Heimcomputer, vorher waren Computer lediglich für Büros ausgelegt. Nun gab es erstmals Spiele mit ansprechender Grafik und Musik - auch wenn das Laden einer Spielediskette bei einem Prozessor von 0,985 Megahertz und einem Arbeitsspeicher von 64 Kilobyte bereits ein Geduldsspiel war.

Auch heute brauchen Retro-Fans auf die alten Spiele nicht zu verzichten: Im Internet gibt es kostenlose Emulationssoftware, die den PC wieder in die alte «Brotkiste» zurückverwandelt, erklärt C64-Experte Malter, der auf seiner Internetseite http://www.c64games.de Spiele zum Herunterladen und Links zu Emulatoren bietet. Auch für Spielekonsolen sowie für das Handy oder den PDA gebe es bereits Emulatoren.

Zudem können Nutzer sich im Handumdrehen eine komplette Spielesammlung aus dem Internet laden - die meisten Programme entsprechen von der Größe her dem Speicherplatz einer damaligen Diskette: 170 Kilobyte. Legal sind die Raubkopien im Netz zwar nicht, aber das scheint die C64-Fans nicht zu stören - 2000 bis 3000 Nutzer besuchten täglich seine Seite. «Das ist Nostalgie pur», erklärt Malter die Begeisterung der Fans.

Fast alle existierenden Spielideen seien schon auf dem C64 realisiert worden, sagt Andreas Boose, Mitentwickler des Emulator-Programms «VICE». Zwar seien heutige Spiele realistischer und reicher an Action, der Spielspaß sei auf dem C64 aber genauso groß: «Wer es bei International Karate geschafft hat, den Computergegner einmal in den Staub zu grätschen, nimmt die geringe Grafikauflösung längst nicht mehr wahr.» Mit einem Adapter und passendem Treiber könne man sogar mit dem alten C64er-Joystick am PC spielen.

Die damaligen Spiele waren sehr schnell zu verstehen, sagt C64-Fan Volker Buckow aus Wedel bei Hamburg. «Es gab hauptsächlich zwei Spiel-Varianten: Wer rüttelt am schnellsten am Joystick und läuft dadurch das 100-Meter-Rennen am besten? - oder: Wer kann am schnellsten auf den Feuerknopf drücken und dringt dadurch bis in Level 100 im Weltraum-Baller-Spiel vor?»

Musiker wie Buckow haben inzwischen sogar die Spiele-Songs des C64 neu aufgelegt: Auf etlichen Internetseiten lassen sich neue Kompositionen für den SID-Soundchip des C64 herunterladen und auf CD bestellen. Die Internetfangemeinde trifft sich zudem zu Motto-Partys, um die alten Lieder zu feiern: Im Juni veranstaltete Buckow die bislang größte deutsche C64-Party, auf der mehrere hundert Fans zu minimalistischen Piepstönen tanzten und auf Szenegrößen der C64-Gemeinde trafen.

Am 13. September folgt die Fortsetzung beim Festival «Back in Time live» in Brighton (Großbritannien), bei der Kult-Komponist Rob Hubbard auftritt. «Der C64 war der erste Heimcomputer, der mehrstimmige Musik bot. Da man unzählige Stunden vor dem Rechner verbrachte, brannten sich diese Songs unwiderruflich ins Ohr», sagt Buckow. Echte Fans würden noch heute sofort erkennen, von welchem Spiel ein C64-Song stammt.

Der Retro-Trend im Internet könnte allerdings bald einen erheblich Dämpfer erleben: Mittlerweile wittern die Rechte-Inhaber Tulip Computers aus den Niederlanden wieder ein Geschäft mit dem längst tot geglaubten Commodore-Rechner. Gemeinsam mit der US-Firma Ironstone Partners planen sie ein kostenpflichtiges C64-Portal und wollen gegen die illegalen Spieletauschbörsen vorgehen. Zur Not müssen echte Liebhaber wohl wieder auf den originalen C64er zurückgreifen: Den findet man bei Online-Auktionen schon ab 30 Euro - selbst manche echten Brotkisten dürften da bereits teurer sein.