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Norwegen Norwegen: Angeln am Reisaelva

Von WLADIMIR KLESCHTSCHOW 13.08.2009, 15:40

Tromsö/MZ. - Mitten in der Wildnis gebe es dort eine Hütte, in der unsere Reisegruppe übernachten werde. Diese Hütte könne nur per Boot oder zu Fuß erreicht werden. Wir nutzen beides nacheinander.

"Hier ist eine der schönsten Lachsstrecken", sagt einige Stunden später auch Kjetil. Der Ranger der staatlichen Verwaltung des Nationalparkes ist unser Gastgeber in der Hütte. Diese liegt an der rund 800 Kilometer langen Wanderroute Nordkalottleden, die von der schwedischen Grenze bis nach Kautokeino in der nördlichsten norwegischen Provinz Finnmark führt. Auf dieser Route, berichten Elisabeth und Kjetil, ist 2007 sogar die norwegische Königin Sonja im stolzen Alter von 70 Jahren gewandert. Ihre Majestät übernachteten in derselben Hütte, die für alle Wanderer offen ist. Extra für sie wurde hier allerdings eine Holz-Sauna errichtet, in der auch wir uns entspannen durften.

Wenig später muss Kjetil feststellen, dass kein einziger aus der Gruppe je auf Lachsfang gegangen ist. Dorsch, Hecht, Barsch oder gar exotische Fische in den USA - ja, so etwas hatten einige bereits an der Angel. Einen Lachs aus einem norwegischen Fluß aber noch nie. Und so stellt der Ranger die Flugangel gleich weg, mit der Lachse auf künstliche Fliegen gefangen werden. Nichts für Anfänger. Um diese Rute zu handhaben, ist ein intensives Training erforderlich.

Also geht es mit einer Spinnrute an den Fluss. Das ist einfacher. Eine rötliche Fischnachbildung aus Metall soll für die Lachse gut sein, die besonders im Juli und August zahlreich zum Laichen in den Oberlauf des Flusses aufsteigen. Der Salmon, erklärt Kjetil auf Englisch, greift den Blinker nicht etwa aus Hunger, sondern aus Ärger über deren echte Vorbilder: Manche Fische lauern auf laichende Lachse, um deren Rogen zu fressen.

Zwischen zwei Stromschnellen ist an einem Felsen eine tiefe ruhige Stelle. Dort sammeln die Lachse ihre Kräfte, um die nächste schwierige Stelle zu überwinden. Die Bremse an der Rolle zu lösen und den Blinker mit einem kraftvollen Schwung nach vorn zu schicken, ist eine Sache von Sekunden. Nun sind die Lachse dran.

Doch die haben es nicht eilig, sich fangen zu lassen. Auch nach zwei Stunden immer noch kein Fang. Dabei wird ein Fisch dringend gebraucht. Das Rentierfleisch, das als Gulasch unser Abendbrot sein sollte, erwies sich nämlich als verdorben. Frischer Lachs soll der Ersatz sein. Die Fische zeigen kein Verständnis dafür. "Gibt es hier wirklich Lachse?", fragt einer aus der Gruppe, enttäuscht über den ausbleibenden Fang. Noch bevor Kjetil etwas sagen kann, schießt ein kräftiger silbriger Körper aus dem Wasser und überwindet mit mächtigen Schwanzschlägen die Strömung. Die Abendbrotzeit rückt immer näher, die Hoffnung auf eine Lachssuppe schwindet. Obwohl immer wieder Lachse springen, geht keiner von ihnen an den Haken. In dieser Notlage greift sich der Ranger selbst seine Flugrute und versucht es mit der künstlichen Fliege. Er will die Panne mit dem Rentierfleisch wieder gut machen...

Zum Abendbrot essen wir Bratkartoffeln, die eigentlich als Beilage gedacht waren. Fisch gibt es - allerdings aus Tuben: Makrelenpaste als Notreserve. Doch die Stimmung ist gut. Einige waren bereits in der Sauna und sind anschließend in das höchstens zehn Grad warme Wasser des Reisaelva gesprungen. Der Körper ist danach voller Energie. Das plus die wildromantische Landschaft und der Zauber einer gemütlichen Gesprächsrunde entschädigen für den Misserfolg.

Kjetil erzählt über leidenschaftliche Lachsangler, die eine Fischereierlaubnis nicht für einen Tag oder eine Woche, sondern gleich für die gesamte Saison kaufen. Für sehr gute Stellen kann das leicht mehrere Tausend Euro ausmachen. An Stellen, die weniger gut, aber dennoch nicht hoffnungslos sind, koste ein Tag 40-50 Euro. Doch an so einer Stelle habe kürzlich ein Anfänger auf Anhieb drei Lachse gefangen.

Nach diesem Bericht versuchen einige zur Mitternachtszeit doch noch, einen Lachs zu überlisten, zumal es in Nordnorwegen auch Ende Juli nicht dunkel wird. Doch dieses Gefühl in der Hand, das bei einem Lachsanbiss wie ein Stromschlag durch den ganzen Anglerkörper geht, bleibt allen - auch dem Ranger - versagt.

Hätten wir mehr Zeit gehabt, könnten wir anderentags bei den Lachsen Revanche nehmen. Doch im Programm standen noch Wanderungen, die die wunderbaren Landschaften des norwegischen Nordens hautnah erlebbar machten. Zahlreiche Wasserfälle, die Mitternachtssonne, die sich in einem Fjord widerspiegelt, ein Elch, der wie ein dunkler Schatten am Rande einer Straße auftauchte - solche Erlebnisse lassen einen erfolglosen Angelausflug leichter vergessen. Und außerdem: Wer sagt, dass dies meine letzte Begegnung mit den Reisaelva-Lachsen war?

www.visitnorway.com

www.visittroms.no