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Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfalen: In Dortmund trägt der Fan schwarz-gelbe Schals

Von Christian Röwekamp 03.02.2006, 09:36
Einst die Kneipe «Zum Wildschütz», heute die Imbissbude «Pommes Rot-Weiß» - eine Plakette an der Hauswand erinnert daran, dass in diesem Haus an der Oesterholzstraße im Dezember 1909 der Verein Borussia Dortmund gegründet worden ist. (Foto: dpa)
Einst die Kneipe «Zum Wildschütz», heute die Imbissbude «Pommes Rot-Weiß» - eine Plakette an der Hauswand erinnert daran, dass in diesem Haus an der Oesterholzstraße im Dezember 1909 der Verein Borussia Dortmund gegründet worden ist. (Foto: dpa) Christian Röwekamp

Dortmund/dpa. - In vielen Imbisslokalen in derRuhrgebietsstadt sieht es so aus wie hier - das «Pommes Rot-Weiß» ander Oesterholzstraße aber ist eine besondere Adresse. Am 19. Dezember1909, als die Kneipe noch «Zum Wildschütz» hieß, wurde in ihr derBallspielverein Borussia gegründet. Wer im WM-Jahr 2006 nach Dortmundkommt und die «heiligen Stätten» der lokalen Fußballgeschichte sehenwill, kommt an dieser Pommesbude nahe des Borsigplatzes kaum vorbei.

Der Borsigplatz liegt im Nordosten der Stadt, weit entfernt vomStadion südlich der Bundesstraße 1 - und damit auch weit entfernt vonden Erfolgen und Dramen der jüngeren Dortmunder Fußballgeschichte.Trotzdem kann, vielleicht sogar muss der Fan-Rundgang hier beginnen,weil der Borsigplatz zeigt, wie sich die Zeiten geändert haben.

Im Jahr 1909 war die Gegend ein Arbeiterquartier: Stahlwerke undKohlegruben diktierten damals noch den Puls der Stadt, junge«Malocher» waren die Gründer des BVB. Heute buhlen rund um denKreisverkehr ein Sportwettenladen und Internet-Cafés um Kunden. Vordem «Sinbad-Grill» stehen ältere Frauen mit Kopftüchern, und es lässtsich durch die Werbung am Borsigplatz lernen, dass «Bay ve BayanKuaför» die türkische Übersetzung für Damen- und Herrenfrisör ist.

«Am Borsigplatz hängen immer noch besonders viele schwarz-gelbeFahnen aus den Fenstern, wenn die Borussia spielt», erzählt MichaelHillgärtner von der BVB-Fanabteilung. «Ziemlich oft sind es aber auchdie Farben von Galatasaray Istanbul», sagt sein Kumpel Ansgar Soll.Zusammen sind sie auf dem Weg zum Hoeschpark, der mit dem Borsigplatzund der Vereinsgründer-Pommesbude eine Art magisches Dreieck bildet.

In dem Naherholungsgebiet fanden die ersten Wettkämpfe derBorussia statt. Das Spielfeld mit dem Namen «Weiße Wiese» existiertheute zwar nicht mehr, aber ein anderer Rasenplatz im Park war bisMitte der neunziger Jahre der Ort für die BVB-Saisoneröffnungen. «Dakamen hier 25 000 Leute hin», erinnert sich Hillgärtner an Zeiten, indenen Dortmunds Fans einen Erfolg nach dem anderen feiern konnten.

Nach zuletzt eher mäßigen Bundesliga-Zeiten soll diese Traditiondes Fußball-Feierns im WM-Sommer wieder zelebriert werden. SechsSpiele sind in Dortmund angesetzt, die Stadt erwartet Tausende Fansaus aller Welt und sieht darin die Chance zu einer großen, 33-tägigenParty: «Keine andere WM-Stadt hat so viel Erfahrung im Zusammenführenvon Fans wie wir», sagt Gerd Kolbe. Der WM-Beauftragte derStadtverwaltung verweist dabei auf die Fantreffs, die seit 1987 beiden internationalen Heimbegegnungen der Borussia gefeiert werden.

Rund 20 000 Menschen passen auf den Friedensplatz am Rathaus, aufdem das WM-Motto «Die Welt zu Gast bei Freunden» in die Tat umgesetztwerden soll. «Public Viewing», also das gemeinsame Fußball-Schauenauf Großleinwänden, kennt man hier bereits seit dem DFB-Pokalfinale1989. Nun wird es vom 7. Juni bis zum Finale in Berlin am 9. Julitäglich von 11.00 bis 23.00 Uhr eine «Fete auf dem Friedensplatz»geben. Alphornbläser aus der Schweiz, japanische Trommler und andereFolklore-Gruppen sollen die Stimmung der Dortmunder und ihrerBesucher kräftig anheizen, wenn der Ball gerade mal nicht rollt.

150 Geschäfte in der Innenstadt und an der «WM-Meile» Hohe Straßeverwandeln ihre Schaufenster außerdem zu einem «Fußballmuseum» vollerRaritäten. Ausgestellt sein wird zum Beispiel der WM-Endspielball desJahres 1986, den Toni Schumacher in Mexico-City drei Mal aus dem Netzholen musste und aus dem inzwischen ganz schön die Luft heraus ist.

Besonders viele Exponate hat Gerd Kolbe aus Brasilien zugeschicktbekommen. Der amtierende Weltmeister tritt in Dortmund gegen Japanan. «Wir sehen uns als Stadt mit brasilianischem Faible», sagt derWM-Beauftragte, der daran erinnert, dass mit Brasilien-Niederlandeeines der besten Spiele der WM 1974 in Dortmund ausgetragen wurde.

Schauplatz damals wie heute: das Stadion mit der europaweitgrößten Stehplatztribüne, die zur WM allerdings in einenSitzplatzbereich umgewandelt werden muss. Im Übergang von der Nord-zur Osttribüne soll künftig das «Borusseum» Einzug halten, einVereinsmuseum mit Pokalen, Wimpeln und anderen Erinnerungsstücken.

Viele BVB-Erfolge wurden unmittelbar nebenan errungen, im StadionRote Erde, einer weiteren «heiligen Stätte» des Dortmunder Fußballs.Der Borussia diente es bis 1974 als Spielstätte, und es wird nochimmer von den Vereins-Amateuren genutzt. Und anders als das heutigeBundesligastadion ist die Rote Erde auch für zufällig vorbeikommendeBesucher geöffnet. Dieser Kurzausflug in die sechziger Jahre, diegroße Zeit von Lothar Emmerich und Siggi Held, ist sogar kostenlos.

Von den Stadien aus ist es nicht weit ins «Kreuzviertel», eine derbeliebtesten Kneipengegenden der Stadt. Ob im «Café Muckefuck», in«Uncle Tom[0x2019]s» im «Pökelfass» oder im «Schnäppchen-Eck», wo es das0,3-Liter-Pils für 1,10 Euro gibt: Überall wird zur WM viel los sein,zum Teil sogar rund um die Uhr. In den nahe gelegenen Westfalenhallenwerden bis zu 4000 Fans übernachten, und die wollen vom Frühstück biszum letzten Bier im Morgengrauen versorgt sein. Auf die Frage, ob ersein Lokal während der WM nur zum Saubermachen schließen wird,antwortet «Barrock»-Wirt Falko Husman lapidar: «Was sollen wir dennsonst machen? Es wird Sommer sein, die Leute wollen feiern.»

Bei Fußballfans beliebt ist auch die Kneipe «B-Trieb», vor dersich nach Spielen oft große Menschentrauben bilden. «Man fragt sich,warum die U-Bahn-Station vor der Tür "Kreuzstraße" heißt und nicht"B-Trieb"», sagt Ansgar Soll. Zusammen mit seinen Freunden will derBVB-Fan zur WM einen eigenen «Fan-Guide» herausbringen, der in einerAuflage von 20 000 Exemplaren kostenlos verteilt wird und unteranderem einen dreisprachigen Kreuzviertel-Kneipenführer enthält.

«Wir wollen Dortmund zeigen, wie es ist – und nicht wie es derTourismusverband oder einer der WM-Sponsoren gerne hätte», erklärtMichael Hillgärtner das Konzept. In einem Raum voller schwarz-gelberSchals an den Wänden gigantische Pommes-Portionen mit Currywurst zuverspeisen, gehören zu dieser Wirklichkeit auf jeden Fall dazu.

Informationen: Dortmund Tourismus, Königswall 18a, 44137 Dortmund(Tel.: 0231/18 99 92 22); WM-Büro Dortmund (Tel.: 0231/502 21 31)