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Neues Hessen-Modell zur Grundsteuer-Berechnung: Viel Kritik

11.05.2020, 14:54
Michael Boddenberg (CDU), Finanzminister von Hessen. Foto: Andreas Arnold/dpa/Archivbild
Michael Boddenberg (CDU), Finanzminister von Hessen. Foto: Andreas Arnold/dpa/Archivbild dpa

Wiesbaden - Hessen will die Grundsteuer künftig mit einem eigenen Modell neu gestalten und hofft auf weitere Bundesländer als Mitstreiter. Finanzminister Michael Boddenberg präsentierte am Montag die Eckpunkte für eine geplante Neuregelung. Demnach entscheide die Lage des Grundstücks maßgeblich mit über die Höhe der Steuer. „Das Hessen-Modell ist gerecht, verständlich und einfach”, befand der CDU-Politiker. Kritik zu dem Vorschlag kam vom Hessischen Städte- und Gemeindebund sowie aus der Opposition im Wiesbadener Landtag.

Die Grundsteuer muss nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts neu aufgestellt werden. Die bisherigen, jahrzehntelang unveränderten Einheitswerte müssen von 2025 an durch neue Bemessungsgrundlagen ersetzt werden, wie es hieß. Das Ende 2019 erlassene Bundesmodell ist aus Sicht der Landesregierung „kompliziert und aufwendig”. „Hessen strebt deshalb - wie andere Länder auch - eine landesgesetzliche Regelung zur Grundsteuer an. Dies ermöglicht die Ende 2019 erfolgte Grundgesetzänderung”, erklärte das Ministerium.

Bodenberg sagte, dass Aufwand und Nutzen dieser Neuordnung im richtigen Verhältnis stünden. „Ich würde mich freuen, wenn andere Bundesländer dies auch so sehen.” Hessen warte nun die Rückmeldungen anderer Länder zu den Eckpunkten ab und hoffe auf Anhänger. Anschließend werde das Gesetzgebungsverfahren im Landtag gestartet.

Laut Boddenberg bietet eine Neuordnung Spielraum, um die Parameter den jeweiligen Strukturen im Land anzupassen. „Die notwendige Neuregelung der Grundsteuer sehe ich als Chance zur Steuervereinfachung. Diese Gelegenheit sollten wir ergreifen.” Durchschnittlich etwa 400 Euro Grundsteuer im Jahr je Grundstück rechtfertigten keinen überhohen Aufwand durch komplexe Regelungen.

Mit den vorgelegten Eckpunkten knüpfe man an das Flächenmodell an, das bereits 2010 von Hessen und anderen Ländern vorgeschlagen wurde. „Ergänzend nehmen wir nun die Lage als Kriterium hinzu, denn neben den Flächengrößen spielt auch die Lage eine Rolle dabei, in welchem Umfang die Grundstücksnutzer von kommunaler Infrastruktur profitieren können”, sagte Boddenberg. Mit einem einfachen Faktorverfahren werde das Ergebnis des Flächenmodells erhöht oder vermindert - je nachdem, wie sich die Lagequalität des Grundstücks im Vergleich zu einer durchschnittlichen Lage in der Gemeinde darstelle. Das bedeutet: „Einfache Lagen werden gegenüber dem reinen Flächenmodell niedriger, gute Lagen höher besteuert”, sagte Bodenberg.

Wer dann profitiert oder draufzahlt - dazu sagte Boddenberg: „Jedes Reformmodell wird im Vergleich zur verfassungswidrigen Einheitsbewertung Gewinner und Verlierer erzeugen. Die einen werden mehr Grundsteuer zahlen als bisher, die anderen weniger, weil sie bislang nach den Einheitswerten in verfassungswidriger Weise zu wenig oder zu viel zahlen. Eine Reform ohne Belastungsänderungen im Einzelfall gibt es nicht.”

Nach Angaben des Ministeriums sei das Modell leicht zu handhaben: Es komme mit drei Angaben in der Steuererklärung aus: mit der Grundstücksfläche, der Gebäudefläche „Wohnen” und der Gebäudefläche „Nicht-Wohnen”. Beim Bundesmodell seien bis zu neun Angaben nötig.

Verbände und Parteien kritisierten das Eckpunkte-Papier. Es seien viele Fragen offen, bilanziert etwa der Hessische Städte- und Gemeindebund. Das Modell sei eine Diskussionsgrundlage, die es zu verbessern gelte. Eine hessische Sonderregelung könne sinnvoll sein. Allerdings müsse sie besser sein als die Bundesgrundsteuer. Es sei noch unklar, ob dies der Fall sei. Das jetzige Modell berücksichtige zu wenig, wo sich der Grundbesitz befinde - in Frankfurt oder etwa in Frankenberg.

Die SPD-Landtagsfraktion befand: Der Vorschlag werfe mehr Fragen auf, als er Antworten gebe. Die SPD vermisse klare Aussagen zu konkreten Auswirkungen vor Ort und Beispielrechnungen. Bei der Mitteilung des Ministeriums handele es sich um „blutleere Prosa”. Es sei nicht eine einzige Zahl genannt worden. Zur Frage, wer Gewinner und Verlierer des Modells sein würden, erklärte die SPD: „Dieses Modell bevorzugt im Vergleich zum Modell des Bundes teure Grundstücke in Toplagen und benachteiligt mittlere und mäßige Lagen.” Das sei nicht gerecht. Es gelte offenbar die Devise „Friede den Palästen, Krieg den Hütten”.

Die FDP-Fraktion kritisierte: „Einfach geht anders.” Wenn die Grundsteuer in einer Kommune nach Lagen unterschieden werde, führe das zu mehr Bürokratie. Die FDP favorisiert ein reines Flächenmodell. Die Linke im Landtag sagte, dass Hessen sich auf einen besonders unsozialen Sonderweg begebe. Die Grünen als Koalitionspartner hingegen bezeichneten den Vorschlag als „klar und nachvollziehbar”.

Die CDU fand: Das Bundesmodell sei zu kompliziert und intransparent. Das Flächen-Faktor-Modell sei nachvollziehbarer und gerechter als etwa ein reines Flächenmodell, wie es in Bayern vorangetrieben werde.

Der Bund der Steuerzahler in Hessen begrüßte den Vorschlag der Landesregierung. Er gehe in die richtige Richtung. Das Modell sei wohl „am wenigsten streitanfällig” und könne ein „Vorbild für andere Bundesländer” sein. Kritisch sehe der Steuerzahlerbund hingegen, dass den Kommunen mit einer sogenannten Grundsteuer C ermöglicht werden soll, baureife, aber unbebaute Grundstücke höher zu besteuern.

Die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände zeigte sich erfreut, „dass das Bürokratie-Ungetüm des Bundes nicht nach Hessen kommt”. Skepsis sei aber bei einem Zusatz-Faktor für unterschiedliche Wohngebiete angebracht. „Das Flächenmodell ohne Wertkomponenten wäre einfacher umzusetzen. Außerdem verhindert ein reines Flächenmodell automatische Steuererhöhungen in Folge steigender Bodenwerte. Die Grundsteuer finanziert die Leistungen der Städte und Gemeinden. Dazu müssen alle Einwohner in gleichem Maß beitragen.” (dpa/lhe)