Neuerscheinung Neuerscheinung: Speedball 2 - Tournament: Stahlkugel mit Wurm drin
Halle/mz-web.de - Auch in "Speedball 2 – Tournament" hat der Stürmer wieder Grund zur Klage. Diesmal würde Jürgen von der Lippe wohl dichten: "Trainer, ich seh’ das Tor nicht!" – und Abhilfe ist vorerst nicht Sicht.
Grund für die Verstimmung des Stürmers ist die schlechte Kameraposition im Spiel, bei der man als Spieler in der klassischen Draufsicht das untere Tor nicht sehen kann. Die mögliche seitliche Ansicht geht ebenfalls nicht, weil notwendige Spezialfelder im Spiel ausgeblendet würden. Mit Vorschusslorbeeren auf der Games Convention 2007 bedacht, kann das Ende November 2007 erschienene Endprodukt von Kylotonn nicht überzeugen. Es ist wieder einmal das alte Lied vom Test auf Kundenbasis. Ein fehlerhaftes Spiel wird auf den Markt geworfen - und die Endkontrolle bleibt frustrierten Spielern überlassen. Was darüber hinaus an der Neuauflage des Amiga-Klassikers gefällt und nicht gefällt, können Sie im folgenden Test der Redaktion von mz-web.de lesen.
Speedball 2 ist ein futuristisches Handballspiel der etwas anderen Sorte. Während im Wettkampf Fair Play als eine Tugend gilt, ist es bei Speedball eher hinderlich. Geharnischt wie die Ritter der Tafelrunde, kämpfen die Mannschaften auf dem Spielfeld um eine Stahlkugel. Die Arena ist ähnlich wie beim Eishockey mit Banden begrenzt. In Zweikämpfen gehen die Gegner nicht zimperlich miteinander um. Wer den metallenen Ball erobern will, muss die Opponenten stoßen und abgrätschen. Angst vor Regelübertretungen sind unbegründet: Das Spiel hat weder Regeln noch Schiedsrichter. Ziel ist es, das Wurfgerät im gegnerischen Tor zu versenken. Boni sind durch den Wurf in eine Rampe möglich, die als Multiplikator dient. Zudem sind für jedes Team an den seitlichen Banden im Stadion fünf Sterne platziert, die von den Spielern an- und vom Gegner wieder ausgeworfen werden können. Wer fünf Sterne gleichzeitig anwirft, erhält Extrapunkte. Weitere Zähler sind möglich, wenn Gegenspieler verletzt vom Platz müssen.
Speedball 2 - Tournament der französischen Entwickler von Kylotonn versucht den Klassiker des Amiga 500 von 1990 in die heutige Zeit zu transportieren. Was hat sich seitdem geändert? Es war möglich, durch bessere Hardware das Spiel visuell und technisch auf ein neues Niveau zu heben. Die neue Grafik hat Kylotonn gekonnt umgesetzt. Neue spieltechnische Elemente bieten weiter entwickelte Gamepads. Somit erreicht das Spiel eine komplexere Spielstufe – denkt man. Doch kaum ist man in den Stadien zugange, geht die Klopperei wie in alten Amiga-Zeiten los. Es wird gegrätscht, geschubst und der Ball samt Torhüter im Gehäuse versenkt.
Die Umsetzung wäre gelungen, wenn da nicht die feinen Unterschiede wären: Problematisch ist das Balancing der Spielfiguren. Eingeteilt in drei Kategorien (kräftige Männer, agile Frauen und robuste Cyborgs), sind die Spielertypen zu unterschiedlich angelegt, um ein ausgewogenes Gameplay zu ermöglichen. Die wendigen Ladys tanzen in den Testspielen durch Nutzung der Sprinttaste die trägen Torhüter locker aus und legen mit Leichtigkeit das Spielgerät im Tor ab.
Die taktische Aufstellung der Spieler ist auf dem im Vergleich zum Amiga-Klassiker vergrößerten Spielfeld zu breit gefächert. Die verteidigende Mannschaft hat somit gegen die schnelle Offensive einen schweren Stand. Die Torhüter sind außerdem nicht widerstandsfähig genug, um Angreifern den Torerfolg bedeutend zu erschweren. Weniger ist manchmal mehr: Die Entwickler von Kylotonn haben ungekonnt in das Spielprinzip des Klassikers eingegriffen. Die einfachere Variante des Vorgängers hätte gereicht oder einer besseren Modifizierung bedurft. Gerade die neuen Spezialmanöver mit Sprint, Sprung und Ausfallschritt überzeugen in der Praxis nicht.
Ein weiterer Kritikpunkt sind die Würfe der Angreifer. Schüsse auf das Tor sind lediglich gerade oder diagonal möglich und somit für den Goalie leicht zu verteidigen. Misslich ist der angeschnittene Wurf der Amiga-Version, der in einer eleganten Kurve am Torhüter vorbei ins Gehäuse geschlenzt werden konnte. Das überarbeitete Passsystem erschwert zudem ein flüssiges Kombinationsspiel. Kurze Anspiele landen selten beim Mannschaftskameraden und verstärken den ohnehin schon chaotischen Spielverlauf.
Ein weiteres Manko ist die elektrische Aufladung der Stahlkugel. Diese ermöglicht, gegnerische Spieler bis hin zum Goalie mit einem Wurf aus dem Weg zu räumen. Während man in der alten Version den Spieler vor dem Spezialfeld positionieren konnte und nach der Aufladung den Ball wieder in die Hände des Spielers bekam, muss in der Neuauflage mit einem komplizierten hohen Wurf das Feld aktiviert werden. Der Ball landet danach unkontrolliert im Feld. Somit kann diese einst wirkungsvolle Variante schwerlich genutzt werden.
Speedball 2 – Tournament kämpft im Augenblick mit sich selbst. Das Potenzial für ein gutes Sportspiel ist durchaus gegeben. Die Bürde des perfekten Amiga-Klassikers wiegt in der aktuellen Version jedoch zu schwer. Zwar ist der Spielspaß nicht auf der Strecke geblieben, eine avisierte eSporttauglichkeit des Games bleibt aber derzeit fraglich. Es bleibt den Entwicklern von Kylotonn überlassen, das Spiel nachzubessern. Sonst bleibt einzig mit Jürgen von der Lippe zu sagen: "Dann ist der Wurm drin!"