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Main-Kinzig-Landrat Pipa hört auf: Tief enttäuscht vom Staat

20.06.2016, 13:25
Erich Pipa (SPD), Landrat des Mainz-Kinzig-Kreises, hört auf. Foto: Jörn Perske/Archiv
Erich Pipa (SPD), Landrat des Mainz-Kinzig-Kreises, hört auf. Foto: Jörn Perske/Archiv dpa

Gelnhausen - Aus familiären Gründen, aber auch aus tiefer Enttäuschung über den Staat hat Erich Pipa seinen Abschied als Landrat des Main-Kinzig-Kreises angekündigt. Der SPD-Politiker will sich aus der Politik zurückziehen. Im kommenden Jahr werde er nicht erneut für den Spitzenposten in Hessens einwohnerstärkstem Landkreis kandidieren, sagte der 68-Jährige am Montag und erklärte in einer Mitteilung: „Ich habe jahrzehntelang den Beruf in den Vordergrund gestellt, meine Familie kam immer zu kurz. Das wird sich jetzt ändern.”

Am 18. Juni 2017 werde er aus dem Amt scheiden. Pipa war Anfang Ende Januar 2005 erstmals zum Landrat gewählt worden. Mittlerweile sei er im 51. Jahr seines Berufslebens.

Beeinflusst worden sei seine Entscheidung durch die seit Juli 2015 bestehende Bedrohungslage gegen ihn, sagte Pipa. Der Landrat war wegen seiner flüchtlingsfreundlichen Haltung wiederholt in anonymen Schmähbriefen übel beschimpft worden. Zudem war ihm von Rechtsextremisten mit dem Tode gedroht worden. „Ich halte jeden Tag meinen Kopf für unseren Staat hin”, sagte Pipa. „Was tut der Staat im Gegenzug für Landräte, Bürgermeister, Journalisten und Bürger, die im Ehrenamt tätig sind, wenn diese bedroht werden?”

Pipa rechnet nach eigener Aussage nicht mehr damit, dass die Verfasser der Drohbriefe noch vom Staatsschutz ermittelt werden. Er versprach eine Prämie von 3000 Euro für Hinweise, die zu den Tätern führen. „Ich möchte (..) diesen feigen Menschen in die Gesichter sehen, die andere bedrohen.”

Pipa nutzte die Ankündigung seines Rückzugs am Montag in Gelnhausen für eine Generalkritik. Staat und Gesellschaft hätten sich bereits gravierend verändert: „Die Einhaltung der Schuldenbremse ist wichtiger als der gesellschaftliche Zusammenhalt geworden. Die Polizei, insgesamt der Staatsdienst, ist personell unterbesetzt, es fehlen Polizisten, Lehrer, Sozialarbeiter. Die Kommunen müssen die Steuern und Abgaben erhöhen, die Bürgerinnen und Bürger zahlen die Zeche, der Mittelstand wird geschwächt.”

Pipa zufolge setzten sich zunehmend Politiker-Typen durch, die Pipa als „betriebswirtschaftliche Kennzahlenpolitiker” bezeichnet: „Erst kommen die Zahlen, dann leider erst der Mensch.” Pipa hatte sich in den vergangenen Jahren immer wieder als Politiker präsentiert, der kein Blatt vor den Mund nimmt. (dpa/lhe)