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Lokalität Lokalität: «Das Besondere zählt»

29.01.2002, 10:02

Leipzig/dpa. - Seit der Lehrer und Ex-Croupier seine «Vodkaria» vor einem Jahreröffnete, kann er über mangelnde Kundschaft nicht klagen. DieTrendspirituose Wodka (russisch: «Wässerchen») ist lautMarktforschern der meist getrunkene Branntwein der Welt. Als Basisfür Hausmarken dient Junghans schwedischer «Absolut Vodka».

Zur Erweiterung des Repertoires unterhält er Kontakte in dieentlegensten Winkel. Das Internet und Stammgäste sind ihm bei derSuche nach weißen Flecken auf der Wodkaweltkarte behilflich.Erzeugnisse aus dem Supermarkt sind nichts für Junghans. «DasBesondere zählt.» Bestellt würden oft Cocktails, der Kenner aberschätze seinen Wodka pur und eiskalt.

Neben Klassikern wie «Finlandia» oder «Smirnoff» finden sichKuriositäten und Kleinode in dem Kolonialwarenregal hinter der Theke.«Ulfur» mit Lakritz, eine isländische Spezialität, «Ichiko» ausJapan, brasilianischer «Yanov» in Plastikflaschen oder «Spirit» ausSüdafrika - jeder Gaumen wird bedient. Aus Deutschland kommt mit«Eskalony» ein edler Tropfen, der Goldschwebeteilchen enthält. Fürorthodoxe Juden steht koscherer Wodka bereit. Ein Hingucker istpechschwarzer «BlaVod», der Longdrinks den visuellen Pfiff verleiht.

Die Schwergewichtsklasse führt 76-prozentiger «Diesel» aus Amerikaan, gefolgt von «Rasputin» mit waffenscheinpflichtigen 70«Umdrehungen» und «Black Death» aus Belgien. Aber auch «Gorbatschow»mit schwarzem (50 Prozent) und rotem Etikett (60 Prozent) könneAnfängern «die Bodenbleche weg brennen», räumt Junghans ein. Jedochsei jeder Exot vom Wirt verkostet und für genießbar befunden worden.Schwierigkeiten habe es einmal bei einem Wodka aus Tansania namens«Vladimir» gegeben. «Der war in Plastikbeuteln abgefüllt. Leider istdas Versorgungsschiff gesunken.»

«Ostalgiker» sind in der «Vodkaria» richtig aufgehoben. «Wie inder DDR ist heute "Wyborowa" beliebt.» Der im Volksmund blauer Würgergenannte «Kristall» werde kaum noch verlangt. Weltmarktführer«Stolitschnaja» ist in Dosen und in 7 Geschmacksvarianten vorrätig.Der beste Büffelgras-Wodka sei polnischer «Wisent».

Länder des Wodkagürtels - Russland, Finnland oder Schweden - habenkulinarisch mehr zu bieten als den klaren Schnaps aus Getreide oderKartoffeln. «Dänen essen um zu leben, Norweger leben um zu essen,Schweden essen um zu trinken.

Pizzerien haben Junghans auf die Idee einer «Vodkaria» gebracht,die aber keine Kopie einer russischen Kneipe werden soll. «Die siehtaus wie eine Sauna und endet mit Lenin-Büste und Matroschka-Puppe.»Sein Konzept einer Erlebnisgastronomie jenseits von Disco und Handyscheint aufzugehen. Das Interieur ist einfach, aber gemütlich.Glühbirnen ohne Lampenschirm verbreiten ein warmes Licht. Aus denBoxen tönen gedämpfte Riffs von Gitarrengott Carlos Santana oder aufWunsch russische oder skandinavische Folklore. Packpapier dient alsTischdecke. «Darauf wurden schon Heiratsanträge geschrieben.» EinSchild mahnt in kyrillischer Schrift «Bewahrt die Wärme, schließt dieTür». Sollte ein Gast zu tief ins Glas blicken, rät Junghans zu einem«Na pososchok» als Absacker. Das ist Russisch und heißt «Auf einLetztes» - Prost, Skol und Na Sdorowje!

Internet: «Vodkaria»