1. MZ.de
  2. >
  3. Varia
  4. >
  5. Leichtathletik: Leichtathletik: Semenya ist vielleicht ein Zwitter

Leichtathletik Leichtathletik: Semenya ist vielleicht ein Zwitter

Von Andreas Schirmer und Ralf Jarkowski 11.09.2009, 09:38

Pretoria/Sydney/dpa. - SüdafrikasSportminister Makhenkesi Stofile reagierte auf internationaleMedienberichte, die 18-Jährige sei ein Zwitter, drastisch. «Wir sindgeschockt und empört über die um die Welt laufenden sogenanntenResultate des Geschlechts-Tests der IAAF», erklärte er am Freitag aufeiner Pressekonferenz in Pretoria. Sollte der Leichtathletik-Weltverband IAAF versuchen, Semenya von internationalen Wettkämpfenauszuschließen, führe dies zu einem «dritten Weltkrieg».

21 Tage nach ihrem Sensationssieg bei der WM in Berlin hatte unteranderen die australische Zeitung «Daily Telegraph» berichtet, Semenyasei ein Zwitter. Bei einem Geschlechts-Test habe sie ein dreifachhöheres Testosteron-Niveau als bei Frauen üblich aufgewiesen,schreibt das Blatt am Freitag unter Berufung auf Quellen, die überdie Untersuchung gut informiert sein sollen. Sie habe innenliegendeHoden statt Eierstöcken und keine Gebärmutter, berichtete der «DailyTelegraph» unter Berufung auf seinen Informanten.

IOC-Präsident Jacques Rogge hat sich angesichts derdurchgesickerten Berichte für mehr Anonymität und Diskretionausgesprochen. «Das ist etwas, das die innerste Seele eines Menschenberührt. Die psychologischen, aber auch die sozialen Konsequenzensind wirklich gewaltig», sagte der Chef des InternationalenOlympischen Komitees (IOC) am Freitag in einem Telefoninterview derNachrichtenagentur AP. «Das ist ein sehr schwieriger Fall», betonteder Belgier.

«Das wird alles auf dem Rücken eines Menschen ausgetragen»,beklagte IAAF-Councilmitglied Helmut Digel. «Das ist ein Problemaller Sportarten, wie wir mit dem dritten Geschlecht umgehen.» ImRegelwerk gebe es dazu keine Bestimmungen. Der TübingerSportsoziologe betonte aber, dass der IAAF noch keine schriftlichenErgebnisse des Geschlechts-Test vorliegen.

Die wegen des Umgangs mit dem Test in die Kritik geratene IAAFreagierte am Freitag offiziell nur mit einer siebenzeiligen Erklärungauf den Medienbericht. Darin wurde nur bestätigt, dass die Ergebnissedes Geschlechts-Tests zunächst von einer Gruppe medizinischerExperten geprüft werde. Eine Entscheidung im Fall Semenya wird dieIAAF aber frühestens auf ihrer Counciltagung am 20./21. November inMonaco bekanntgeben. Vor Abschluss der Untersuchungen werde es keineStellungnahme mehr geben.

Sportminister Stofile beschuldigte die IAAF, die Menschenrechte zuverletzen und teilte mit, dass Rechtsanwälte eingeschaltet wurden.«Weder Caster noch ihre Familie hat diese Demütigung verdient. Keinervon ihnen hat etwas Falsches getan», sagte Stofile, für den das Test-Ergebnis unerheblich ist «Was spielt das für eine Rolle? Es gehtnicht darum, ob sie ein Hermaphrodit ist oder nicht. Sie ist einMädchen.» Falls die IAAF entscheiden sollte, dass Semenya nicht mehrbei Frauen-Rennen starten dürfe, hätte dies Folgen. Stofile: «Ichdenke, es gibt dann einen dritten Weltkrieg.»

Caster hatte das 800-Meter-Finale am 19. August im BerlinerOlympiastadion mit einem sensationellen Vorsprung gewonnen. Siesiegte in der Weltjahresbestzeit von 1:55,45 Minuten vorTitelverteidigerin Janeth Jepkosgei aus Kenia (1:57,90) und JenniferMeadows aus Großbritannien (1:57,93). Aufgrund ihrer männlichenErscheinung waren bereits vor dem Endlauf Zweifel aufgekommen, ob sieeine Frau ist.

Falls sich bestätigen sollte, dass Semenya tatsächlich ein Zwitterist, darf es nach Ansicht von Digel keine Konsequenzen geben. «MeinesErachtens kann ihr weder die Medaille noch die Leistung aberkanntwerden.» Sie sei von den äußeren Merkmalen nach der Geburt alsweiblich ausgewiesen worden. «Deshalb ist sie auch als Frauangetreten», meinte Digel. Semenyas Vater Jacob reagierte fassungslosauf die Enthüllung. Leute, die behaupteten, seine Tochter sei keineFrau, «sind krank. Sie sind verrückt.» Die Sportlerin sagte wegen deröffentlichen Spekulationen einen für diesen Samstag geplanten Startin Pretoria ab.

Offenbar hatten Leichtathletik-Funktionäre in Südafrika beiSemenya bereits vor ihrem WM-Start in einer Klinik in Pretoria einenGeschlechts-Test vornehmen lassen. Die Athletin soll damals aber indem Glauben gelassen worden sein, es habe sich nur um eine Doping-Kontrolle gehandelt. «Die Tests sind ihr nicht vernünftig erklärtworden», sagte ihr Trainer Wilfried Daniels, der nach der WM deswegenseinen Rücktritt erklärte.