Leichtathletik Leichtathletik: Marathon der Superlative
Chicago/dpa. - Ihr revolutionäres Laufwerk war mit dem schnellsten Marathonlauf aller Zeiten noch nicht beendet. Zügigen Schrittes marschierte Paula Radcliffe zum Dopingtest. «Ich will keine Zweifel oder Fragen aufkommen lassen», erklärte die Britin ihr resolutes Handeln nach dem «unglaublichen Sprint» in 2:17:18 Stunden über die 42,195 Kilometer lange Distanz am Sonntag beim 25. Chicago- Marathon. In den vergangenen Monaten waren Äußerungen laut geworden, sie würde das Blutdopingmittel EPO benutzen. Diese Stimmen dürften trotz ihrer konsequenten Anti-Doping-Haltung nun erst recht nicht verstummen: Denn die Verbesserung der Weltbestzeit um 89 Sekunden gleicht einem Quantensprung.
«Wonderwoman», schwärmte die britische Tageszeitung «Daily Mirror», und der «Daily Star» schrieb: «Von jenseits dieser Welt.» Eine ähnliche Leistungsexplosion vollzog zuletzt Ingrid Kristiansen vor 17 Jahren, als die Norwegerin beim London Marathon in 2:21:06 Minuten die Bestzeit der US-Olympiasiegerin Joan Benoit um 1:37 Minuten unterbot. «Paula rennt eine schnelle Saison nach der anderen. Das sagt mir, dass sie sauber ist», behauptete die legendäre Skandinavierin und prophezeite: «Paula wird im nächsten Jahr über 10 000 Meter ganz sicher unter 30 Minuten und im Marathon unter 2:17 Stunden laufen. Sie ist die herausragende Langstrecklerin».
Der einstige amerikanische Marathon-Star Bill Rodgers glaubt sogar, dass die Powerfrau mit dem eigenwilligen Laufstil - nickende Kopfbewegung und stampfender Schritt - sogar die «Schallmauer» von 2:15 Stunden durchbrechen kann: «Bedenkt man, dass dies erst ihr zweiter Marathon war, dann steht uns noch einiges bevor.» Bei ihrem Debüt im April in London rannte Radcliffe in 2:18:56 Minuten gleich die zweitschnellste Zeit überhaupt.
«Paula hätte schon heute unter 2:17 Stunden bleiben können, wenn nicht auf den letzten Meilen eine so steife Brise vom Lake Michigan herüber geweht wäre», ist sich Khalid Khannouchi sicher. Den in Marokko geborenen Amerikaner hinderte der Wind daran, seine am 14. April in London erzielte Weltbestzeit ein zweites Mal in diesem Jahr zu unterbieten. Nur 18 Sekunden fehlten ihm bei seinem vierten Triumph in Chicago. Neben dem Erfolg in 2:05:56 Stunden durfte sich Khannouchi über eine Prämie von insgesamt 175 000 Dollar freuen. Radcliffe wurden noch 75 000 Dollar mehr überwiesen - 100 000 Dollar Siegprämie plus 150 000 Dollar für die Weltbestzeit. Zudem erhielt sie von Volkswagen die Schlüssel für ein neues Auto.
«Paula überraschte mich nicht. Sie war in fabelhafter Form», sagte Catherine Ndereba. Die entthronte Inhaberin der Weltbestzeit aus Kenia kam in 2:19:26 Minuten als Zweite ein und kündigte alsbald Revanche an. Um fast dreieinhalb Minuten wurde seit 1998 die Weltbestzeit gedrückt. «Ich glaube, heute habe ich wieder ein mentale Barriere durchbrochen. Das wird auch alle anderen beflügeln, die auch viel härter und intensiver als noch vor wenigen Jahren trainieren», sagte die zweimalige Cross-Weltmeisterin und 10 000-m-Europameisterin von München. Die 28-Jährige Radcliffe, die von ihrem Ehemann Gary Lough gecoacht wird, legt zum Teil in Höhen von über 2400 Metern wöchentlich mehr als 200 Kilometer zurück.