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Leichtathletik Leichtathletik: Ex-Weltrekordler Kurt Bendlin wird 60

Von Ralf Jarkowski 20.05.2003, 15:30
Bei den XIX. Olympischen Spiele in Mexiko-City läuft der deutsche Athlet Kurt Bendlin (2.v.r.) beim 100-m-Wettbewerb der Zehnkämpfer mit 10,7 Sekunden durch das Ziel. Mit 8064 Punkten gewinnt Bendlin die Bronzemedaille. Mit 8319 Punkten hatte er bereits am 14. Mai 1967 im Heidelberger Uni-Stadion den Zehnkampf-Weltrekord aufgestellt. Am Donnerstag (22.05.2003) feiert der zweifache Familienvater seinen 60. Geburtstag. (Foto: dpa)
Bei den XIX. Olympischen Spiele in Mexiko-City läuft der deutsche Athlet Kurt Bendlin (2.v.r.) beim 100-m-Wettbewerb der Zehnkämpfer mit 10,7 Sekunden durch das Ziel. Mit 8064 Punkten gewinnt Bendlin die Bronzemedaille. Mit 8319 Punkten hatte er bereits am 14. Mai 1967 im Heidelberger Uni-Stadion den Zehnkampf-Weltrekord aufgestellt. Am Donnerstag (22.05.2003) feiert der zweifache Familienvater seinen 60. Geburtstag. (Foto: dpa) dpa

Hamburg/dpa. - Er hat sein Herz in Heidelberg nicht verloren, damals, an jenem 14. Mai 1967. Kurt Bendlin hat es in beide Hände genommen. Und auch ohne Rendezvous wurde es ein heißer Abend für den Muskel-Mann aus Malente: Im Uni-Stadion eroberte Bendlin bei 38 Grad im Schatten den Zehnkampf-Weltrekord. 8319 Punkte - die überraschten Zuschauer feierten ihren «König der Athleten» für eine Sternstunde seiner bewegten Laufbahn. Der Weltrekord, Olympia-Bronze 1968 in Mexiko-City, vier deutsche Zehnkampf-Meistertitel und die Wahl zum «Sportler des Jahres» 1967 sind seine größten Erfolge. Am Donnerstag (22. Mai) feiert Kurt Bendlin in Paderborn seinen 60. Geburtstag.

An jenes Glutofen-Wochenende in Heidelberg erinnert sich Bendlin, als wäre es gestern gewesen. «Es waren die beiden heißesten Tage des Jahres in Deutschland, allein am Sonntag hatte ich 25 Liter Mineralwasser getrunken. In den beiden Nächten vor dem Wettkampf habe ich mich in feuchte Laken gewickelt», erzählt Bendlin. Schlafen konnte er trotzdem nicht. Außerdem ging zunächst alles schief: Seine altersschwache «Kiste» gab schon nahe Koblenz auf der Autobahn ihren Geist auf. Weiter ging es mit dem Zug, den Hochsprung-Stab musste er ins Bahn-Fenster «fädeln».

Sonntag 18.00 Uhr: Start zur zehnten Disziplin. Noch 1500 m qualvolle Meter. Sportstudent Bendlin, damals 23, kannte die Richtzeit zum Weltrekord: 4:32 Minuten. «Aber ich wollte auf Nummer sicher gehen und bin 4:19 gerannt - die letzte Runde in 61 Sekunden.» So einfach war das also. Bendlin hatte den Weltrekord des Amerikaners Russ Hodge um 89 Punkte verbessert. Noch überraschender als dieser Coup war für den stillen Star der plötzliche Ansturm der Presse. «Da bin ich in den Wald geflüchtet, habe mich im Mondschein einfach hingelegt.» Was er nicht ahnte: Die Mücken waren noch schlimmer als die Medien. «Als ich zurückkam, sah ich aus wie Quasimodos Bruder.»

Der Weltrekord war sicher «am schönsten und spektakulärsten», das Größte gelang Bendlin aber ein Jahr später in Mexiko. Noch heute ist der Mann stolz auf die Bronzemedaille. «Was ich da aus mir rausgeholt habe in der Hölle eines olympischen Zehnkampfes - unglaublich. Ich hatte die sechs Wochen vorher wegen einer Meniskusoperation und Oberschenkelverletzung nicht trainiert.» Dennoch wurde der mit 1,83 m eher kleine Zehnkämpfer zum Favoriten geschrieben.

«Als ich im Stabhochsprung die Anfangshöhe von 4,20 m zwei Mal gerissen hatte», erinnert sich Bendlin, «stürmte DLV-Präsident Max Danz auf mich zu und drohte: Kurt, wenn du das jetzt nicht schaffst, brauchst du gar nicht erst nach Hause zu kommen!» Doch der Kurt schaffte es - getreu seiner Lebensphilosophie, die für den Jubilar bis heute eine Maxime ist: «In der höchsten Anspannung musst du die größtmögliche Lockerheit bewahren.»

Genau dies versucht der Naturfreund heute gestressten Managern beizubringen. Im schleswig-holsteinischen Malente organisiert die «Ein-Mann-Firma» Bendlin Motivations-Seminare für Führungskräfte. Holzbearbeitung ist sein Hobby, auch für Archäologie und die Urgeschichte der Menschheit interessiert er sich. Auf einem Bauernhof in Paderborn-Elsen lebt Bendlin mit seiner Frau Martina, mit der er 37 Jahre glücklich verheiratet ist. Tochter Nicola (22) wird Hotelfachfrau, Sohn Kolja (20) besucht eine Fachschule.

Die Party zum 60. soll «ganz normal» ablaufen, versichert Bendlin, «so 50 bis 55 Freunde haben wir eingeladen.» Dann wird der Mann für ein paar Stunden erdulden müssen, was ihm immer suspekt war: im Mittelpunkt stehen. Sport treiben kann der frühere Modellathlet erst seit Januar wieder regelmäßig. Nur mit dem Laufen hapert es nach einer misslungenen Sprunggelenk-Operation noch. Bis Bendlin Ende des Jahres ein künstliches Fußgelenk bekommt, fährt er eben Fahrrad oder stemmt 30-Kilo-Gewichte: «Mit denen hätte ich früher gewürfelt.»