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Leichtathletik Leichtathletik: Beinamputierter Läufer legt sich mit dem Weltverband an

Von Ralf Jarkowski 16.07.2007, 11:23
Oscar Pistorius wirft dem IAAF amateurhaftes Verhalten und Vorurteile über behinderte Sportler vor. (Foto: dpa)
Oscar Pistorius wirft dem IAAF amateurhaftes Verhalten und Vorurteile über behinderte Sportler vor. (Foto: dpa) ANSA

Monte Carlo/Hamburg/dpa. - Bei Fans und Konkurrenz sorgt derbeinamputierte Oscar Pistorius für Bewunderung, mit dem jetzteröffneten Kleinkrieg gegen den Leichtathletik-Weltverband IAAFdürfte der Sprinter nur Kopfschütteln auslösen. Völlig überraschendist der 20 Jahre alte Südafrikaner auf Konfrontationskurs mit derIAAF eingeschwenkt.

Obwohl ihm der Weltverband sogar eine «wild card» für Starts inRom und Sheffield im Feld der Nicht-Behinderten ausstellte und einwissenschaftliches Gutachten finanziert, zog Pistorius mächtig vomLeder. «Es wäre viel produktiver, die Tests mit mir als gegen mich zumachen», sagte der Paralympics-Sieger nach seinem missglückten Grand-Prix-Auftritt am Sonntagabend in Sheffield.

Pistorius kämpft um sein generelles Startrecht beiWeltmeisterschaften und Olympischen Spielen, auf seinen zweiUnterschenkel-Prothesen will er 2008 in Peking in der 4 x 400-Meter-Staffel seines Landes mitlaufen. Die IAAF prüft den vertrackten Fallund hat ein wissenschaftliches Gutachten in Auftrag gegeben. DieFrage lautet: Hat ein Sprinter auf Prothesen einen körperlichenNachteil - oder gar einen technischen Vorteil? Schließlich haben dieHightech-Karbon-Stelzen, die etwas länger als ein Unterschenkel sind,auf einer Kunststoffbahn auch eine beträchtliche Federwirkung. DieMeinungen unter Sportlern und Experten sind jedenfalls geteilt.

Nach dem 400-Meter-Rennen in Sheffield, wo der Südafrikaner wegenVerlassens der Bahn disqualifiziert wurde, beschwerte sich Pistoriusüber «abfällige» Kommentare eines Offiziellen der IAAF. Dieser sollgesagt haben, dass Pistorius mit Starts bei den Nicht-Behindertenvielleicht sogar Sportlern mit Düsenjets auf dem Rücken den Weg indie Sport-Arenen bereite. Dies seien «abfällige, unprofessionelleKommentare», meinte Pistorius. Die IAAF solle ihn «seinen Kampfkämpfen und mit ihm statt gegen ihn arbeiten».

IAAF-Mediendirektor Nick Davies war am Montag völlig aufgebrachtund wies die Vorwürfe entschieden zurück. «Wenn die IAAF gegenParalympics-Athleten wäre, wie hätten wir der blinden Marla Runyonaus den USA dann einen WM-Start 1999 in Sevilla erlauben können?»,sagte Davies der Deutschen Presse-Agentur dpa. Der dpa liegt auch einBrief von Davies an Pistorius-Manager Peet van Zyl vor. Inzwischenhat sich der Betreuer bei der IAAF für die verbalen Ausfälle seinesSchützlings entschuldigt.

In dem Schreiben an van Zyl beschwert sich die IAAF, die ganz imSinne von Pistorius eine wissenschaftliche Untersuchung in Auftraggegeben und finanziert hat, über die Brüskierung durch denSüdafrikaner, dem im Alter von elf Monaten beide Unterschenkelamputiert werden mussten. Die IAAF habe den schwierigen Fall sachlichdargestellt und sich kooperativ gezeigt. Dennoch sei Pistorius zumAngriff übergegangen: Er habe behauptet, die IAAF sei von Vorurteilengegenüber behinderten Athleten belastet, der Weltverband agiere«amateurhaft» und «wie das FBI».

«Wir können kein Techno-Doping in der Leichtathletik zulassen»,betonte Davies und empfahl Pistorius beim Umgang mit den Medienkünftig Zurückhaltung. An der generellen Auffassung der IAAF habesich nichts geändert: «Wir haben keinerlei Vorurteile gegenüberbehinderten Athleten. Wir machen uns nur über solche Sportler Sorgen,die sich durch technische Hilfsmittel einen Vorteil verschaffen»,meinte der IAAF-Sprecher.