Länderspiel gegen Argentinien Länderspiel gegen Argentinien: Das Ziel verpasst und trotzdem glücklich
Düsseldorf/dpa. - Die Spieler lagen noch in den Federn, da warJürgen Klinsmann schon wieder auf Achse. Bereits frühmorgens umsieben machte sich der Bundestrainer am Donnerstag auf den Weg inseine kalifornische Wahlheimat, gefühlsmäßig noch immer hin- undhergerissen von der am Vorabend erlebten Vorstellung seinerSchützlinge gegen Argentinien. «Ich glaube, die Leute sehen, dass wirauf einem sehr guten Weg sind», hob Klinsmann nach dem 2:2 gegen denWeltranglisten-Dritten das Positive und den Lerneffekt hervor: «DieJungs haben hier viel mitgenommen.»
Dass auch im zwölften Anlauf das Primär-Ziel, endlich mal wiedereine ganz große Mannschaft zu schlagen, nicht aufgegangen war, schlugim DFB-Kreis niemandem ernsthaft auf den Magen. «Von mir aus kann derFluch noch bis 2006 bleiben. Bei der WM gilt's, die Großenwegzuhauen. Das zählt», kommentierte Mittelfeld-Hoffnung BastianSchweinsteiger die Fortsetzung der seit nunmehr viereinhalb Jahrenwährenden Durststrecke. Und der in der Düsseldorfer LTUarenaüberragende Torsten Frings, der von allen deutschen Spielern diemeisten Pluspunkte sammelte, machte aus der «schwarzen Serie»kurzerhand eine Erfolgsbilanz: «Wir haben gegen die so genanntenGroßen die letzten Spiele aber auch nicht mehr verloren. Das ist japositiv.»
Für Klinsmann, Assistent Joachim Löw und Manager Oliver Bierhoffaber waren ganz andere Dinge von Bedeutung. «Ich denke schon, dass eswieder ein wichtiger Schritt war bei der Entwicklung unserer Spiel-Philosophie», freute sich Klinsmann über «den tollen Start ins Jahr2005». Tatsächlich agierte die durch den Ausfall ihrerFührungsfiguren Michael Ballack und Miroslav Klose extrem verjüngteDFB-Formation ungeachtet aller Personalprobleme überraschendaggressiv und angriffslustig, bis Mitte der zweiten Halbzeit dieKräfte schwanden und der Überblick verloren ging. «Am Ende hat dasschlaue Spiel gefehlt», meinte Kevin Kuranyi. Sturmpartner Klose, dermit blockiertem Halswirbel zum Reservistendasein verurteilt war,ergänzte: «Die Jungen sind einfach noch nicht abgezockt genug.»
Symptomatisch für diese zutreffende These war der Auftritt von PerMertesacker. Der erst 20 Jahre alte Saison-Aufsteiger von Hannover96, bislang fast ohne jede internationale Erfahrung, hatteArgentiniens Superstar Hernan Crespo 80 Minuten lang voll im Griff,ehe er den Torjäger des AC Mailand doch für einen Moment aus denAugen verlor und dieser die Gelegenheit abgebrüht zum 2:2 nutzte. «Dasah ich nicht glücklich aus», gestand «Greenhorn» Mertesacker ein.
«Wir müssen bis zum nächsten Jahr noch lernen, mit einer gewissenErfahrung und Klasse ein Spiel auch mal über die Runden zu bringen»,meinte Bierhoff. Ob die 16 Monate bis zur WM ausreichen, umLänderspiel-Lehrlinge wie Mertesacker, Thomas Hitzlsperger oderPatrick Owomoyela noch auf internationales Format zu bringen, bleibtabzuwarten. Zumindest wissen sie, dass Klinsmann fest auf sie zählt.«Es war eine sehr positive Beobachtung, dass andere sofort dahinterstehen, die sonst in Lauerposition sind. Sie haben alle unserePhilosophie verinnerlicht, spielen mit Herz undAufopferungsbereitschaft», meinte der 40-Jährige.
Die nächste Chance zur Standortbestimmung gegen eine Top-Nationbietet sich erst wieder in gut vier Monaten, wenn am 21. Juni imletzten Gruppenspiel um den Confederations Cup in Nürnberg erneutArgentinien der Gegner ist. Bis dahin will Klinsmann in Testspielenin Slowenien (26. März), wo gleich 30 Spieler eingeladen werdensollen, Nordirland (4. Juni) und in Mönchengladbach gegen Russland(8. Juni) seine Mannschaft auf die WM-Generalprobe vorbereiten.Bereits in zwei Wochen aber wird er wieder aus den USA zurückkehren,sich den Champions League-Hit zwischen dem FC Bayern und demFC Arsenal anschauen und grundlegende Reformpläne vorantreiben: «Esgeht darum, dass wir eine sportliche Leitlinie aufstellen, die bis inden Nachwuchsbereich zielt.»
Zu diesem Zweck soll neben dem in dieser Woche ausgeschriebenenPosten des Chefscouts eine weitere Stelle als Sportdirektorgeschaffen werden. Diese könnte Alt-Bundestrainer Berti Vogts, denKlinsmann zum Verband zurückholen will, einnehmen. Offenbar zielenKlinsmanns neue Personal-Vorstellungen auf eine ähnliche Struktur wieim französischen Verband, wo der ehemalige Nationaltrainer AimeJacquet diese Rolle ausfüllt.