Kornelia Ender Kornelia Ender: Schwimmerin der DDR: «Ich bin angekommen»
Halle/MZ. - Vielleicht, räumt sie ein, hat diese für Außenstehendeseltsam anmutende Abkehr etwas mit den Geschehnissenzu tun, die 25 Jahre zurückliegen. 17 warsie da und galt als die beste und vielseitigsteSchwimmerin aller Zeiten. Sagenhafte 23 Weltrekordewar die Athletin des SC Chemie Halle in gerademal drei Jahren im Kraulstil, auf dem Rückenoder als "Schmetterling" geschwommen. Weltmeister-und europäische Titel sammelte sie im Dutzend.Ihre vier Siege bei den Olympischen Spielen1976 in Montreal ließen den Spekulationenfreien Lauf, wozu dieser "Goldfisch" eigentlichnoch fähig sein würde. Doch in einem Moment,in dem dies niemand erwartet hatte, beendeteKornelia Ender ihre Karriere: gleich nachihrer Rückkehr von den Spielen in Kanada.
Was zunächst als fixe Idee einer Halbwüchsigenangesehen wurde, entpuppte sich als unverrückbareTatsache. Selbst vom despotischen DDR-SportführerManfred Ewald, der zu einem Gespräch in seinergefürchtet harten Gangart zu der Schwimmerinvon Berlin nach Halle gekommen war, ließ sichdie Schülerin nicht beeindrucken oder garbekehren. "Ich hatte nur noch den Wunsch,ein normales Leben zu führen. Ich wollte Kinderärztinwerden und dachte auch daran, eine Familiezu gründen. Der Spitzensport hatte mir genuggegeben. Dass ich durch meinen Entschlussbei der DDR-Sportführung in Ungnade fallenwürde, interessierte mich nicht weiter", schautsie auf jene Zeit zurück, die ihr noch einigeszu schaffen machen sollte.
Entspannt lehnt sie sich zurück, scheint eineWeile in eine andere Welt zu versinken. Alsdie Nachdenklichkeit in ihrem Gesicht einemfeinsinnigen Lächeln weicht, sagt sie beinahefeierlich: "Ich habe jetzt ein Leben, wieich es mir vorgestellt habe, mit einer glücklichenFamilie und Freude am Beruf. Ich bin angekommenin meiner eigenen Welt" - und im vereintenDeutschland. In dem kleinen Winzerort Schornsheimmit 1700 Einwohnern nahe Mainz hat sie mitEhemann Steffen Grummt, den Kindern Franziska,Tiffany und der vier Wochen jungen EnkeltochterSelina dieses Glück gefunden.
Kinderärztin ist Kornelia Ender nicht geworden,aber dafür eine anerkannte Krankengymnastinmit eigener Praxis, in der sie gleichzeitigChefin, Sekretärin und Mädchen für alles ist- weil es außer ihr keinen Angestellten gibt.Ehrgeiz, Durchsetzungsvermögen und Pünktlichkeitseien Dinge, die ihr der Sport anerzogen habeund die ihr zugute kämen. "Es gab in Schornsheimsogar schon ein paar neidische Stimmen, weilwir es in kurzer Zeit weiter gebracht habenals viele der Ansässigen", hat sie bemerktund empfindet dies eher als Kompliment. "Wirsind wirklich eine starke Familie."
Weil das so ist, redet Kornelia Ender jetztauch über Dinge, die sie vor Jahren am liebstenim Gespräch ausgespart hätte. Anfang 1990,als die DDR noch existierte, zog sie mit ihremMann und den beiden Kindern - die inzwischen22-jährige junge Mutter Franziska entstammtder ersten, kurzen Ehe mit dem vierfachenErfurter Schwimm-Olympiasieger Roland Matthes- in den Westen Deutschlands. Eine Reise mitVerspätung. Sie hätte eigentlich zwei Jahrefrüher stattfinden sollen. Aber der Ausreiseantragder Familie Ender-Grummt wurde abgeschmettert,"ohne ein Wort der Begründung", erinnert sichKornelia Ender. Angst hatte damals den Entschlussbegleitet. Sie hing an ihren Eltern in Bitterfeldund befürchtete besonders Konsequenzen fürihren Vater Heinz Ender, der als hoher Offizierder Nationalen Volksarmee dem Wehrkreiskommandovorstand. "Ich hatte meinem Vater auch nichtgesagt, dass wir den Ausreiseantrag stellenwürden."