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Heizen mit Flurgehölzen Kann Allstedt sich eigenständig mit Wärme und Strom versorgen?

Eineinhalb Jahre lange wurde das Potenzial für eine autarke Energieversorgung für die Einheitsgemeinde untersucht. Was die Experten jetzt empfehlen.

Von Grit Pommer 14.06.2024, 15:03
Ein Grünstreifen aus Flurgehölzen entlang eines Feldweges.
Ein Grünstreifen aus Flurgehölzen entlang eines Feldweges. Foto: Matthias Müller

Sangerhausen/MZ. - Kann Allstedt energieautark werden, sich also komplett selbst mit Strom und Wärme versorgen? Und wenn ja: wie? Diesen Fragen sind Energieberater Peter Reinhardt und Landschaftsökologe Bernd Reuter seit Herbst 2022 im Rahmen eines geförderten Projekts nachgegangen. Jetzt haben sie dem zeitweiligen Ausschuss für Stadtentwicklung und Erneuerbare Energien die Ergebnisse vorgestellt.

Reuter hat die Fläche der Einheitsgemeinde untersucht – bis auf die Gemarkungen Pölsfeld und Emseloh – und ist dabei auf rund 177 Kilometer Baum- und Strauchreihen gekommen, die entlang von Straßen, Wegen, Gewässern und Ackergrenzen wachsen. Zusammen mit Flächen, die ebenfalls mit Flurgehölzen bewachsen sind, beziffert Reuter die vorhandene Gehölzfläche auf rund 160 Hektar.

Allstedt könnte jährlich 3,9 Gigawattstunden aus Flurgehölzen gewinnen

Für eine nachhaltige Energiegewinnung dürfte man die natürlich nicht einfach abholzen, sondern nur jedes Jahr so viel entnehmen, wie auch nachwächst. Reuter stellte ein Konzept vor – das zehnjährige Pflegerotationsprinzip – nach dem in einer Gehölzreihe immer nur ein Teilabschnitt auf Stock gesetzt wird, also die Äste und Zweige geerntet werden.

Lege man einen jährlichen Holzzuwachs von rund 1.387 Festmetern und eine durchschnittliche Holzmasse von 665 Kilogramm pro Festmeter zugrunde, dann könnten die Flurgehölze in der Einheitsgemeinde Allstedt laut Reuters Studie rund 3,9 Gigawattstunden Energie liefern.

Energie für Allstedt: Experte rät zu Kurzumtriebsplantagen

Das sind 3,9 Millionen Kilowattstunden und damit in etwa so viel, wie 1200 Privathaushalte pro Jahr an Strom verbrauchen. Oder so viel, wie 375 Haushalte mit jeweils 80 Quadratmeter Wohnfläche im Jahr fürs Heizen benötigen.

Für eine völlig autarke Versorgung über ein Holzhackschnitzel-Kraftwerk, wie es Allstedt mit Hilfe von Strukturwandel-Fördermitteln bauen möchte, würden die Flurgehölze allein also nicht ausreichen. Reuter plädiert für die Einrichtung von so genannten Kurzumtriebsplantagen, auf denen schnell wachsendes Energieholz angebaut und geerntet wird.

Welche Rolle die Biomethangasanlage für Allstedt spielen könnte

Energieberater Peter Reinhardt brachte auch das Unternehmen Lucresta ins Spiel, das bei Nienstedt eine große Anlage zur Erzeugung von Methangas aus Reststoffen aus der Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie plant. Auch dieses Biogas könnte in ein lokales Netz mit eingespeist werden.

Für den Energieausschuss des Allstedter Stadtrats hatte Reinhardt allerdings eine sehr dringende Botschaft: Bevor man in ein Wärmenetz investiere, müssten zuallererst die meisten öffentlichen Gebäude so saniert werden, dass Energie nicht mehr nutzlos in die Umwelt abgegeben wird.

Energie: Was in Allstedt vorerst noch dringender wäre als ein Wärmenetz

Im Rahmen des Projekts hatte Reinhardt 21 öffentliche Gebäude in der gesamten Einheitsgemeinde untersucht und dabei gravierende Mängel festgestellt. „Über 90 Prozent der Fassaden und 70 Prozent der Dächer sind nicht oder sehr schlecht gedämmt“, stellte er fest. Und machte deutlich, um welche Größenordnungen von Energieeinsparung es dabei geht: Bei unsanierten alten Gebäuden liege der Energieverbrauch bei durchschnittlich 260 Kilowattstunden pro Quadratmeter. Mit guten Dämmmaßnahmen könnte man ihn auf 50 bis 70 Kilowattstunden senken.

Bürgermeister Daniel Kirchner hatte unterdessen Zahlen aus der Energiepotenzialanalyse für den Landkreis Mansfeld-Südharz parat, die allerdings noch aus dem Jahr 2021 stammen. Schon damals wurde in der Einheitsgemeinde Allstedt fast das Sechsfache des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien erzeugt. Deutlich ungünstiger sah es bei der Heizenergie aus. Da kam nur knapp ein Fünftel des eigenen Verbrauchs aus erneuerbaren Quellen, vor allem aus Biomasse.