Jubiläum Jubiläum: Eiskunstlauftrainerin Jutta Müller wird 75 Jahre

Chemnitz/dpa. - «Spring! Dreifach ist gefragt, bitte!» Was die junge Eiskunstlauf-Elevin dann zeigt und dem Laien perfekt vorkommt, findet in den Augen von Jutta Müller keine Gnade: «Dein Dreier ist so was von schlaff», moniert in gewohnt drastischer Weise die weltweit erfolgreichste Eiskunstlauf-Trainerin. Noch drei Mal in der Woche schnürt sie ihre lang gedienten Schlittschuhstiefel des Jahrgangs 1953 und gibt in ihrer Heimatstadt Chemnitz an alter Wirkungsstätte ihr Wissen an junge Talente weiter. Sie selbst fegt dabei noch übers Eis, dass man es kaum glauben will: Am Samstag feiert Jutta Müller ihren 75. Geburtstag.
«Ich fühl mich auch noch nicht wie ein Dreivierteljahrhundert. Ich war ein Leben lang auf dem Eis, das hat frisch gehalten», sagt die Trainer-Legende. Sie wuchs in einer sportbegeisterten Familie auf, im zarten Alter von drei Jahren ging es los: Kinderballett, Skilaufen, Turnen, Schwimmen und eben Schlittschuhlaufen. Dazu komme, wie sie weiter erzählt: «Ich war immer eine Schnelle, ich gehe nur schnell, ich drehe mich schnell, und ich spreche schnell.»
Die wöchentlich zehn bis zwölf Stunden auf dem Eis seien das, was ihr auch heute noch richtig Spaß mache. «Jeden Tag von früh bis abends wie damals, das ginge natürlich nicht mehr, das möchte ich auch nicht mehr. Jetzt komme ich nicht mehr gestresst von der Eisbahn.» Die kleine, zierliche Frau war drei Jahrzehnte bis Anfang der 90er Jahre der Star hinter den Eiskunstlauf-Stars. 57 Medaillen, darunter 31 goldene, errangen ihre Schützlinge bei Olympischen Spielen sowie Welt- und Europameisterschaften für die DDR.
Eigentlich möchte Jutta Müller keinen dieser Erfolge herausheben: «Jeder war zu seiner Zeit wichtig», erklärte sie. «Aber der erste Erfolg war ganz wichtig, aus dem Nichts heraus, vom 21. Platz 1961 bei den Europameisterschaften in Westberlin zur Silbermedaille 1966 mit meiner Tochter Gaby. Mit der Tochter, das war schon was Besonderes.»
Auch mit Katarina Witt, der unbestrittenen Eislaufkönigin der 80er Jahre, fing es auf hinteren Plätzen an. «Sie hat dann aber das geschafft hat, was noch keiner meiner Zöglinge geschafft hat: Zwei Olympiasiege», betonte die Eiskunstlauflehrerin, die ihr Handwerk einst an der Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) in Leipzig studiert hat.
Mit fast allen, die sie zu Ruhm auf dem Eis geführt hat, hält Jutta Müller noch Kontakt. «Mit Kati arbeite ich ab und zu, wenn sie große Dinge vor hat wie jetzt zum Beispiel ihr Schaulaufen in mehreren Städten Sachsens.» Vor allem an den Sprüngen feilen dann beide, weil sonst die Technik und das Gefühl dafür verloren gingen: «Da braucht es immer noch so einen kleinen Anstoß und den findet sie in mir. Sie ist jetzt eine ganz, ganz fleißige Schülerin geworden.» Früher, fügt sie lächelnd hinzu, sei das nicht immer so gewesen.
Anett Pötzsch-Rauschenbach, Olympiasiegerin von 1980 und mehrmalige Welt- und Europameisterin, ist heute Landestrainerin in Sachsen und arbeitet mit Jutta Müller zusammen. «Was sie besonders auszeichnet, sind Hartnäckigkeit und Ausdauer», verriet sie über ihre Lehrerin. «Heute ist sie nicht mehr ganz so streng wie früher. Zu meiner Zeit gab es keine Diskussion, heute redet sie mehr mit den Schülern.»
Ist unter denen, die heute bei Jutta Müller in die Schule gehen, eine neue Kati in Sicht? «Wenn ich ehrlich sein soll: Nein.» Mit der derzeitigen Situation im deutschen Eiskunstlauf ist sie mehr als unzufrieden: «Das macht mich total traurig, verrückt macht mich das.» Es sei aber damals in der Ära ihrer Erfolge eine ganz andere Zeit mit ganz anderen Möglichkeiten gewesen. Die «Grande Dame» der internationalen Eiskunstlaufszene blickt jedoch ohne Bitterkeit zurück: «Ich habe in meinem Beruf, der für mich mehr Berufung war, alles erreicht, was es zu erreichen gab.»