Interview Interview: Gespräch mit Michael Kind

Halle. - Seit Mitte der 80er Jahre ist Michael Kind auf deutschen Bühnen, im Fernsehen und im Kino zu sehen. In der schwarzen Komödie "Die Datsche" ist der in Halle geborene Schauspieler in der Rolle des Ruheständlers Arnold zu sehen, dessen kleine, heile Welt aus treu sorgender Frau und Wochenendhaus durch einen Überfall auf die "Datsche" ins Wanken gerät. André Wesche sprach mit Michael Kind.
Herr Kind, warum sind Sie Besitzer der "Datsche" geworden?
Kind: Zuerst fand ich die Figur des Arnold richtig bescheuert, doch bei näherer Beschäftigung ist sie mir ans Herz gewachsen. Ich werde bald 50, und da denkt man zum ersten Mal richtig darüber nach, was es bedeutet, konservativ zu sein.
Was bleibt dem Arnold auch anders übrig, als sich seine Welt zu erhalten: Die Gesellschaft, in der er groß geworden ist, bricht von einem Tag auf den anderen weg. Plötzlich fühlt er sich von seiner Frau überholt. Ihm bleibt nur noch seine einsame Datsche in einem Naturschutzgebiet an der Elbe.
Kennen Sie das Gefühl der Hauptfigur Elke, alle Brücken hinter sich abbrechen und ein neues Leben beginnen zu wollen?
Kind: Nee, gar nicht. Nach der Wende wurde ich oft gefragt: "Herr Kind, können Sie eigentlich Hochdeutsch sprechen?" Da kann ich nur sagen, Kinder, ich spreche, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Ich komme aus Halle, ich stehe dazu, es ist meine Geschichte. Das heißt nicht, zu Hause rumzusitzen und zu behaupten, früher sei alles besser gewesen. Wir leben heute und müssen hier spannendes Theater machen. Wenn Arnold für seine Datsche 300000 Mark kriegen würde, würde er trotzdem niemals glücklich werden. Wahrscheinlich würde er sich zu Tode saufen.
Was können Sie über die Qualität der Drehbücher sagen, die Ihnen auf den Tisch flattern?
Kind: Natürlich wünscht man sich immer noch bessere Bücher. So etwas wie "Die Datsche" gibt es natürlich relativ selten. In unserer Branche ist das Drehbuch der Grundstock von allem. Für die Amerikaner ist das ein Geschäft, für uns immer noch eine Kunstform. Ein Autor schreibt ein Drehbuch und manchmal kommst du richtig in Hudeleien, wenn du einen Satz ändern willst. Bei den Amerikanern geht das Drehbuch durch viele Hände, einer ist spezialisiert auf Dialoge und Dramatik, der andere auf flotte Sprüche. Das Fundament ist wesentlich sicherer und stimmiger als bei uns.
Wenn Sie am deutschen Filmgeschäft eine Sache ändern könnten - was wäre das?
Kind: Nur eine Sache? Ich finde nichts schlimmer als diese Kleinstaaterei in Deutschland. Jedes Land versucht sein eigenes Ding. Am kriminellsten finde ich, dass Babelsberg so den Bach runter geht. Anstatt aus der Wiedervereinigung die Kraft zu nehmen und zu sagen: "Wir haben hier eines der weltbesten Studios, mit sämtlichen Gewerken" wurde alles systematisch zertrümmert.
Welches war Ihr persönlich schlimmstes Theater-Erlebnis?
Kind: Mit 13 war ich in Halle im "Faust". Das Licht ging aus und ein dicker Schauspieler kam, der ein großes Buch nahm. Er blies den Staub weg und begann: "Habe nun ach..." Ich denke auch heute noch, dass man "Faust" in diesem Alter noch nicht verstehen kann. Jedenfalls habe ich irgendwann meine Wasserpistole rausgeholt und auf den Mann geschossen. Man brach ab und schmiss mich raus.
Als ich mit 27 an die Schauspielschule kam, war ich vom Theater natürlich begeistert. Ich fand vor allem Kurt Böwe toll. Einem Kommilitonen, der mit dem Theater groß geworden war, habe ich die Wasserpistolen-Geschichte erzählt. Er sagte, wenn es so 1967/68 gewesen sei, dann könne der Schauspieler Kurt Böwe gewesen sein. Er hatte in Halle ein Engagement. Irgendwann hörte auch Böwes Tochter Suse, die an die Schauspielschule kam, meine Geschichte und erzählte sie ihrem Vater. Er schaute in seinen Tagebüchern nach und fand den Eintrag: "Man hat mit der Wasserpistole auf mich geschossen. Ich muss etwas falsch machen." Das war für mich eine Demütigung. Schauspieler sind ganz schnell dabei zu sagen, das Publikum ist Scheiße, ich mache große Kunst und sie verstehen es nicht. Aber so an die Sache heranzugehen... Später haben wir uns kennen gelernt und ich habe gebeichtet. Er hat mir Revanche angedroht. In jeder Vorstellung habe ich im Publikum nach ihm gesucht.