Im neuen Jahr Grünrock an den Nagel
Coswig/MZ. - Auch vor dem Forstrevier Coswig und seinem Revierförster Hans Kanthak macht die Forststrukturreform im Ministerium für Agrar-, Umwelt- und Forstwirtschaft nicht halt. Ab 1. Januar 2006 wird es das Revier Coswig in seiner bisherigen Form nicht mehr geben.
Die landesweit 24 Forstämter gehen auf in fünf neuen Landesforstbetrieben (LFB). Denen zur Seite werden zehn Landesbetriebe für Privatwaldbewirtschaftung und Forstservice (LPF) gestellt. Auch das Personal-Karussell dreht sich seit dem Sommer. Von den 1 200 Mitarbeitern in den staatlichen Forstämtern verbleiben in den Landesforstbetrieben (LFB) künftig 250. Über 900 "Grünröcke" finden sich am Neujahrstag 2006 an einem neuen Arbeitsplatz wieder.
Einer von ihnen ist Hans Kanthak. Der altgediente Coswiger Revierförster wird nach 35 Jahren die letzten verbleibenden Jahre bis zur Rente "in irgendeiner forstlichen Verwaltungsstube ableisten", wie er selbst traurig sagt. Der grundlegende Wandel erfasste auch das alte Forstamt Hundeluft mit bisher fünf Revieren. Auf diesem Territorium verbleiben nach Konzeption des Magdeburger Ministeriums drei Großreviere: Göritz / Stackelitz im Norden; Hundeluft / Coswig im Zentrum und die Oranienbaumer Heide südlich der Elbe. Das neue Großrevier Hundeluft / Coswig soll "Mittlerer Fläming" heißen und sich über 2 800 Hektar ausdehnen: Zu bewirtschaften von einem Förster in acht Stunden an einem Tag?
Die Forstreform bleibt umstritten, die neue Struktur bewerten Forstwirtschaftler und -wissenschaftler kritisch. Im Spätsommer hatte der Landesforstverein auf seiner Tagung in Dessau die Trennung der Verantwortung zwischen profitablem Holzverkauf und dem Wald schutz moniert (die MZ berichtete). Im Sommer auch erfuhren die Revierförster bei der Dienstbesprechung im Forstamt Hundeluft vom anstehenden Wechsel, wurden zum Personalgespräch vorgeladen. Hans Kanthak beim Amt für Landwirtschaft und Flurneuordnung (ALF), das ebenfalls unter in die Strukturreformspirale fällt und als Amt für Landwirtschaft und Flurneuordnung / Forst (ALFF) neu entsteht. In dieser neuen Verwaltungsetage in Dessau steht künftig auch der Stuhl für Hans Kanthak.
"Das kann einen Mann, der sein ganzes Arbeitsleben dem Wald, der Forstwirtschaft und dem Naturschutz gewidmet hat, schon mehr als ärgern", hat der Förster mit Leib und Seele vergebens auf eine Erklärung gehofft, warum er "sein Revier" verliert. Reformen und Veränderungen in der Forststruktur hat er in seinen Dienst-Jahrzehnten schon viele erlebt. Das Personalkarussell drehte sich ständig; Oberförster kamen und gingen. Nach der Wende 1990 wurde aus der Oberförsterei das Forstamt Coswig. Bis zum 30. Dezember 1996; dann wurde das historische, mitten in Coswig gelegene Gebäude nicht mehr genutzt und ist seitdem dem Verfall preisgegeben. Das Einzugsgebiet wurde dem Forstamt Hundeluft zugeordnet. Und auch das wird es am Neujahrstag 2006 nicht mehr geben.
Das wechselvolle Auf und Ab in der Leitungshierarchie hat dem Coswiger Revier in seiner Schönheit nichts anhaben können. Zu dessen Ausdehnung über 1 300 Hektar gehört auch das 490 Hektar große Naturschutzgebiet Pfaffenheide.
Dieser herrliche Waldteil ist vielen Menschen auch über Coswigs Stadtgrenzen hinaus bekannt. Aber er macht das Revier auch zu einem hoch sensiblen. Hier finden sich Orchideen und seltene Pflanzen, hier haben Fledermauskolonien ihre versteckte Zuflucht, sind naturbelassene Tümpel und Teiche Refugium für Vögel und Lurche.
1970 nahm der studierte Forstingenieur Hans Kanthak das Revier Coswig unter seine Fittiche. Der gebürtige Sachse behielt den leicht singenden Dialekt, schloss aber die neue Heimat tief in sein Herz. "Ich hatte das Glück, hier heimisch zu werden." Er ist im Wortsinne mit dem Coswiger Revier verwachsen, kennt hier ohne Übertreibung und Hochstapelei jeden Baum.
Und auch viele Menschen, denen der Wald ebenso am Herzen liegt. Sie kommen mit den verschiedensten Wünschen zu "ihrem Förster". Die einen fragen nach Brennholz oder weiteren Sortimenten - der Forstwirt spricht hier von "Selbstwerbung", wenn Bürger Holz aus dem Wald holen. Die Nachfrage steigt, beobachtet Hans Kanthak und erkennt einen direkten Bezug zu den kletternden Kosten für fossile Brennstoffe. Andere wiederum holten sich Rat beim Pflanzen von Bäumen, wollten Pilze bestimmt haben, wollten Ratschläge, wenn der Marder nachts auf dem Dachboden Krach machte, dass keiner mehr schlafen konnte, wollten zur Adventszeit Schmuckreisig oder einen Weihnachtsbaum. Der Förster wusste meistens Rat.
Der "kurze Weg" zum Revierförster wird nunmehr gekappt, bedauert Hans Kanthak. Er selbst hofft, dass der Naturschutzcharakter in der Pfaffenheide erhalten bleibt. Bestandserhaltende Arbeiten sind weiterhin dringend notwendig. "Dem Selbstlauf darf es auf keinen Fall überlassen werden. Ohne die helfende Hand des Menschen wird es nicht gelingen, das Gebiet so zu bewahren, wie es bisher war."