Hirn-Schäden Hirn-Schäden: Gefährliche Prellungen
Halle/MZ. - Bernd H., Merseburg: Ist es möglich, dass eine Schädel-Hirn-Verletzung nach einem schweren Unfall nicht erkannt wird - primär wurde ein Beinbruch behandelt - und sich Spätfolgen einstellen? Der Patient ist einige Zeit nach dem Unfall bleibend zu 60 Prozent geistig behindert.
Antwort: Nach dem Verkehrsunfall sind die offensichtlichen Folgen - hier Beinbruch - primär behandelt und bildgebende Verfahren eventuell nicht vollständig durchgeführt worden. Es gibt in der Tat kleinste diffuse Verletzungen, die man nicht unbedingt sehen muss. Mit Blick auf die 60-prozentige geistige Behinderung des Patienten wäre ihm heute eine Begutachtung auf neurologisch-psychologischem Gebiet anzuraten. Verletzungen mit kleinsten Blutungen im Gehirn - man spricht von einem diffusen axonalen Trauma - können häufig auch im Nachhinein noch festgestellt werden.
Thea S., Teuchern: Mein Enkel ist im März von einem Gerüst gefallen, lag drei Wochen im Koma und hatte ein Schädel-Hirn-Trauma. Jetzt wurde ihm die Kanüle entfernt. Ich habe Sorge, dass Komplikationen auftreten?
Antwort: Ein Garantie, dass alles gut verheilt, kann in der Medizin nie absolut geben werden. Die Herausnahme der Trachealkanüle ist aber ein wichtiges Zeichen dafür, dass es mit Ihrem Enkel gesundheitlich bergauf geht - er kann wieder gut atmen und schlucken.
Irmgard L., Bad Dürrenberg: Mein Schwiegervater (72) hatte vor fünf Wochen einen Schlaganfall und ist derzeit zur stationären Früh-Rehabilitation. Da er linksseitig gelähmt ist, nicht sprechen kann, sondern nur grummelt und ansonsten an die Decke starrt, überlegen wir, ob wir die Reha abbrechen und ihn nach Hause holen? Nach bisher fünf Wochen Reha sehen wir keinen Fortschritt.
Antwort: Die Früh-Rehabilitation schließt nahtlos an die Akutbehandlung nach dem Schlaganfall an und wird in besonders dafür ausgestatteten Stationen mit neurologischer Ausrichtung durchgeführt. Keinesfalls sollten Sie Ihren Schwiegervater frühzeitig aus dieser Reha nehmen. Vielmehr sollte die aktivierende Pflege der Früh-Reha nicht unterbrochen werden und alle Möglichkeiten, die die Reha bietet wie Physio- und Ergotherapie sollten voll ausgeschöpft werden. Insofern haben Sie Geduld, geben Sie nicht auf und lernen Sie, Teilerfolge des Patienten - beispielsweise sich etwas bewegen zu können -, als solche zu bewerten. Wichtig ist zudem, dass komatöse Patienten Identifikations-Möglichkeiten mit Bekanntem aus früherer Zeit brauchen. Insofern sind auch Besuche von nahen Angehörigen, Sprechen mit dem Patienten und Berührungen wichtig.
Hildegard G., Klostermansfeld: Mein Mann hatte vor zwei Jahren einen schweren Schlaganfall. Er ist rechtseitig gelähmt und hat schubweise starke Schmerzen in der rechten Gesichtshälfte. Die bisherige medikamentöse Behandlung gegen die Schmerzen zeigt keine Wirkung. Was könnte helfen?
Antwort: Nach Ihrer Schilderung wäre eine Möglichkeit, die Dosierung der bisherigen Medikamentengabe zu erhöhen. Insofern es sich bei den Schmerzen um Schmerzen des Gesichtsnervs handelt, käme auch die Verabreichung eines anderen Medikamentes in Frage. Dabei sollte im Auge behalten werden, ob eine geänderte medikamentöse Schmerzbehandlung Nebenwirkungen hervorrufen kann und ob sie im Verhältnis zum Ergebnis tolerabel sein könnte. Das alles sollte mit dem behandelnden Neurologen besprochen werden.
Lisa P., Saalekreis: Infolge eines Schlaganfalls vor drei Jahren ist das Sprachzentrum meines Mannes massiv gestört. Er versteht alles, kann sich aber nicht äußern. Ist noch eine Besserung zu erwarten? Er hat in den vergangenen Jahren immerhin gelernt, einige Schritte in der Wohnung zu gehen.
Antwort: Nach einer so langen Zeit ist es unwahrscheinlich, dass sich das Sprachzentrum Ihres Mannes verbessert. Da er aber in der Mobilität Fortschritte gemacht hat, könnte eine erneute Rehabilitation und logopädische Arbeit ihn eventuell voranbringen. Insofern sollten Sie über Ihren Hausarzt einen Antrag bei der gesetzlichen Krankenkasse Ihres Mannes auf stationäre Heilbehandlung in einer Reha-Klinik stellen.
Kathrin B., Halle: Mein Mann ist nach einem schweren Treppensturz in neurochirurgischer Behandlung. Seit dem Sturz hat sich sein Wesen stark verändert; ich erkenne ihn kaum wieder. Wissen Sie Rat?
Antwort: Wesensveränderungen können als Begleiterscheinungen starker Schädel-Hirn-Verletzungen auftreten. Menschen, die vorher ruhig und zurückhaltend waren, können plötzlich aggressiv und aufbrausend reagieren. Eine solche Wesensveränderung erfordert einen neuen Aufbau der Beziehung und viel Geduld. Der Bundesverband für Menschen mit Hirnschädigungen und deren Angehörigen könnte Ihnen bei Bedarf auch den Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe in Ihrer Nähe vermitteln.
Günter M., Halle: Was macht erhöhten Hirndruck so gefährlich?
Antwort: Haben einzelne Hirnzellen eine Schädigung ihrer Zellwand erlitten und nehmen sie demzufolge vermehrt Wasser aus dem sie umgebenden Gewebe auf, wird von einer Hirnschwellung gesprochen. Ist das bei sehr vielen Zellen der Fall, kann - ähnlich wie bei Hirnblutungen - der Druck im Schädelinneren stark zunehmen. Erreicht dieser sogenannte Hirndruck einen kritischen Wert, reicht der Blutdruck nicht mehr aus, um genügend Blut zum Gehirn zu transportieren. Einzelne Hirnzellen oder sogar das gesamte Gehirn sterben ab. Daher ist es besonders bei schweren Formen von Schädel-Hirn-Verletzungen wichtig, erhöhten Hirndruck früh zu erkennen, zu überwachen und gezielt zu behandeln.
Jana D., Burgenlandkreis: Nach einem Schlaganfall und anschließender Reha befinde ich mich seit März in der Wiedereingliederung am Arbeitsplatz. Ziel ist, von anfänglich viereinhalb Stunden pro Tag zur Vollzeitarbeit zu kommen. Wie lange geht so eine Wiedereingliederung? Wer trägt die Kosten?
Antwort: Eine stufenweise Eingliederung in den Arbeitsmarkt bis zur Vollzeitarbeit dauert in der Regel sechs Wochen bis sechs Monate. Für die Kostenübernahme ist binnen 14 Tage nach Entlassung aus der Reha- Maßnahme Ihr Rentenversicherungsträger zuständig. Trifft dies nicht zu, ist die Krankenkasse zuständig.
Fragen und Antworten notierten Sabine Ernst und Dorothea Reinert.
DAS FRAGTEN DIE CHATTER
Biker fragte: Ich fahre seit über 20 Jahren unfallfrei Motorrad. Gilt eigentlich noch der Grundsatz, einem verunglückten Zweiradfahrer nie den Helm abzunehmen, weil der Schädel angebrochen sein könnte?
Dieser Grundsatz gilt im Prinzip immer noch. Wichtig ist aber auch, dass der Verunfallte schnell versorgt wird, also zum Beispiel durch Freimachen der Atemwege. Das kann im Einzelfall natürlich schon bedeuten, dass Sie den Integralhelm abnehmen müssen. Im Übrigen ist nicht nur wichtig, an den gebrochenen Schädel, sondern vor allem an Verletzungen der Halswirbelsäule zu denken und hier so schützend wie möglich zu handeln.
HA55 fragte: Ich hatte vor einigen Jahren einen Verkehrsunfall mit offener Schädelfraktur und Gehirnquetschung. Bin dadurch schwerbeschädigt. Bei Kur- oder Klinikaufenthalten komme ich mir vor wie ein Exot. Gibt es Selbsthilfegruppen, mit denen man sich austauchen kann? Ich wohne in Aken (Anhalt-Bitterfeld).
Eine Selbsthilfegruppe für Schädel-Hirn-Verletzungen gibt es im Stützpunkt im Neurologischen Rehabilitationszentrum (Gustav-Ricker-Straße) in Magdeburg. Ansprechpartnerin ist für Sie Frau Angela Hoffmann, telefonisch zu erreichen unter: 0391 / 73 92 833. Selbsthilfegruppen finden Sie aber auch im Internet unter
theo fragte: Was sind Schäden, die durch eine Gehirnerschütterung ausgelöst werden und welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Gehirnerschütterung ist ein sehr allgemeiner Begriff, der eigentlich nur noch für eine Bagatellverletzung verwendet werden sollte. Dabei treten üblicherweise für einen kurzen Zeitraum meist Übelkeit und Erbrechen auf. Für alle anderen Verletzungen und ihre Folgen gilt, dass die Möglichkeiten so vielschichtig sind wie es die Funktionen unseres Gehirnes sind. Je nach dem Ort der Schädigung im Gehirn können also hier die verschiedensten Folgen auftreten. Genauso individuell muss man daher für jeden Betroffenen die entsprechenden rehabilitativen Maßnahmen planen.