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Helmut Recknagel Helmut Recknagel: Gelungener Sprung nach einigen Anläufen

Von Rüdiger Fritz 19.03.2002, 18:35
Skispringen in den Zeiten vor dem V-Stil: Der
Skispringen in den Zeiten vor dem V-Stil: Der dpa

Halle/Berlin/MZ. - Vielleicht wird sichHelmut Recknagel, wenn der Rummel um seinenheutigen 65. Geburtstag abgeflaut ist, aufdie Art entspannen, die er seit Jahrzehntenbeherrscht: zwei Minuten auf dem Kopf stehenund positiv über das Leben denken.

Das hat dem gelernten Werkzeugmacher und Doktorder Veterinärmedizin in den frühen 90er Jahrenüber eine turbulente Zeit hinweggeholfen mitArbeitslosigkeit, der Umschulung zum Versicherungsvertreter,einer ABM-Stelle in einer Tiergeburtsklinik,dann als Angestelltem eines Krankentransport-Unternehmensund zu guter Letzt in Berlin als Besitzereines Sanitätshauses mit orthopädischer Werkstatt.Der Sprung in die Markwirtschaft ist Recknagelnach stürmischen Phasen vor fünf Jahren gelungen,"weil das Kämpfen zu meinem Leben gehört undich nicht auf die Verliererstraße geratenwollte".

Treu geblieben ist sich der aus dem thüringischenSteinbach-Hallenberg stammende Recknagel inVielem, nicht nur mit seinem ausgiebigen Kopfstand.Bis in die späten achtziger Jahre ist Recknagelmit der ausgebeulten Keilhose Ski gefahren,die er bei seinem Skisprung-Olympiasieg, demersten eines Deutschen, 1960 im kalifornischenSquaw Valley getragen hatte. Nichts in derWelt konnte ihn auch davon abbringen, sichvon seiner inzwischen als veraltet geltendenSprunghaltung mit nach vorn gestreckten Armenzu verabschieden. Noch heute gilt er als einerder größten Kritiker des gar nicht mehr wegzudenkendenV-Stils. Am liebsten würde der mit seinemfrüheren Wettkampfgewicht von 71 Kilogrammausgestattete Recknagel es seinen Nachfolgernvormachen, dass seine Art zu springen dieästhetischere war.

"Es war eine Augenweide, wie er flog", schwärmtauch Reinhard Heß, der derzeit erfolgreichsteSkisprung-Trainer der Welt, von RecknagelsFlug-Künsten, die er aus nächster Nähe hatteerleben können. Beide gehörten als Skispringerdem Sportclub Motor Zella-Mehlis an. Der Olympiasieger,Weltmeister, dreifache Vierschanzentournee-Gewinnerund 1957 mit knapp 20 Jahren erste nichtskandinavischeSkisprung-Sieger am berühmten Holmenkollenbei Oslo - was damals in der Wertigkeit einemOlympiasieg oder WM-Titel gleichkam - hat1964 in seiner letzten Saison als Aktiverden jungen und aufstrebenden VereinskollegenHeß kaum wahrgenommen. Obwohl der in Oberhofimmerhin schon 112 Meter weit gesprungen war."Das Interesse lag klar auf meiner Seite",erzählt Heß.

"Zu Helmut Recknagel haben wir aufgeschaut.Er war unser Idol, er trainierte bedingungslosnur auf Siege hin, mochte schnelle Autos undtolle Motorräder, machte auch gern mal dieNacht zum Tage", erinnert sich Reinhard Heß."Wenn es den Begriff eines Sportstars damalsschon gegeben hätte - zu Helmut Recknagelhätte er gepasst." Umso mehr bedauert es derTrainer der Sven Hannawald und Martin Schmitt,dass Recknagel lautlos von der Bildflächeverschwand. "Das tut mir ein bisschen weh.Ich würde es gern sehen, wenn Helmut Recknagelmehr Interesse zeigen und uns entgegenkommenwürde. Er könnte noch immer die Skisprung-Szenebeleben."