1. MZ.de
  2. >
  3. Varia
  4. >
  5. Helmnot-Theater: Helmnot-Theater: Ein mächtiger Traum auf dem Marktplatz

Helmnot-Theater Helmnot-Theater: Ein mächtiger Traum auf dem Marktplatz

12.08.2001, 15:12

Dessau/MZ. - Mythische Vögel, filigrane Flügeltiere neben Technokrähen und skurril liebevollem Fluggerät, dazu viele Menschen und vor allem ein mächtiger Traum haben am Sonnabend mit Einbruch der Dunkelheit den Dessauer Marktplatz bevölkert. Weil dieser Platz sonst nicht eben der verträumteste Ort seiner Gattung ist, haben die Stadtväter gemeinsam mit dem Veranstaltungszentrum "Hangar" ein ganzes Team von Traumexperten geladen. Das Helmnot-Theater inszenierte an einem milden Sommerabend zu Füßen des Rathauses sein rauschhaftes Sommernachtsspektakel "Kasch-Ka-Kokon".

Zwischen zwei Bühnen, einem futuristischen Laboratorium und einem purpurroten Kokon in Blütenform, träumten die Akteure für und mit dem Publikum den Traum vom Fliegen. Durch lange Stelzen erhöht, entfaltete sich das Märchen teilweise über den Köpfen der Zuschauer. Und wenn riesiges Federvieh oder bizarre Flugmaschinen sich ihren Weg durch die Menschen bahnten, waren die Besucher mitten im Märchen. Derart bewegt und ergriffen von Bildern voll Poesie und Pathos erlebten die Dessauer ihren Marktplatz als technophiles Märchenland für eine Stunde.

Es war einmal: Vom Rauschen des Meeres begleitet, überqueren zu Beginn urzeitliche Vögel den Platz. Auf einer fahrenden Bühne entwinden sich Kasch, der Vogelfänger, und Ka, der Vogelmensch, einem Plastikuturus in kraftvollen Gesten. Kaum geboren, träumt Kasch den Traum vom Fliegen. Und weil offenbar kein Menschheitstraum zum Nulltarif zu haben ist, oder sich, kaum geträumt, mit Machtansprüchen paart, fängt er alles, was fliegt mit einem riesigen Netz. Den großen, grünen Vogel mit pittoreskem Schnabelkopf sperrt er in den Kokon. Ein Schuss fällt. Der Kokon ist vorerst Käfig und Grab.

Auf der Bühne gegenüber, einem Laboratorium zwischen Futurismus und Technikmuseum, wird an der Verwirklichung des Traums gearbeitet. Doch um die Lüfte zu erobern, braucht Kasch die Kraft des Vogelmenschen. Die Treibjagd beginnt. Unterstützt von Häschern auf Stelzen rückt Kasch auf einem riesigen Streitwagen aus. Auch das Publikum flieht, bildet immer neue Menschengassen. Ka wird gefangen. Doch wie es sich für ein richtiges Märchen gehört, hat auch "Kasch-Ka-Kokon" ein Happyend. Ka befreit sich und öffnet den Käfig, der eben ein Kokon ist, in dem Leben entsteht. Der Vogelmensch zieht die skurrile Flugmaschine zu Boden. Das Laboratorium explodiert. Zwei mächtige Flammen erhitzen den Marktplatz. Zum Meeresrauschen des Anfangs gesellt sich Vogelgezwitscher. Im Märchen gewinnt die Natur.

Obwohl alles so klingt, sollte man nach Kasch (Romy Furcheim) und Ka (René Möckel) nicht im Lexikon suchen. Kasch steht schlicht für kaschen und Ka ist trotz mythologischer Parallelen ein Fantasiename, ein Bild vom Traum. Auch die Idee des Stückes, so Dirk Grünig (Regie, Kostüm und Bild), wurzelt in der Gegenwart. Auf Flugplätzen sind Vogelfänger angestellt, die verhindern sollen, dass Vögel in die Turbinen der Flugzeuge fliegen. Spitzes Gras wird gesät und Brutstätten verlegt, damit sich der Mensch erheben kann.

"Was machen wir aus unseren Träumen?", fragt der junge Regisseur. Auf dem Marktplatz gewinnt das Federtier, bleibt alles beim Traum, der von ungewöhnlich vielen Sicherheitskräften muskulös, schwarz und ernst bewacht wurde. Detailverliebte, skurrile Kostüme und bizarre Apparaturen haben mit gigantisch poetischen Bildern den Marktplatz verzaubert. "Faszinierend, beieindruckend, einmalig" war zwischen dem langen Applaus zu hören. "Sollen wir wiederkommen", fragte am Ende dieses ungewöhnlichen Abends einer vom Theater. Viel Applaus antwortete. Schon am 1. September ist das Helmnot-Theater wieder in Dessau, zum Roten Fest im Bauhaus. Auf dem Marktplatz wird es still. Die Techniker bauen ab. Träume machen Arbeit und sind meist kurz.